Steine auf dem Weg nach Peking

Am Mittwoch letzter Woche bin ich beim German Meeting in Cottbus gestartet. Ich konnte leider die zweite geforderte Olympianorm des DLV über 1500m knapp nicht erreichen. Mit meiner Endzeit von 3:37:79min konnte ich den Lauf gegen internationale Konkurrenz klar gewinnen und gleichzeitig die drittbeste Leistung meines Lebens abrufen.

Steine auf dem Weg nach Peking - Ein Blogbeitrag von Carsten Schlangen Bild:Norman Palm Trotz der hohen Leistung kann ich mit dem Rennen in Cottbus nicht zufrieden sein. Ein weiteres Rennen liegt nun hinter mir und damit eine vertane Chance. Dabei ist es besonders ärgerlich, dass ich Gestern während des Rennens klar das Gefühl hatte, die Olympianorm drauf zu haben. Der Rennverlauf und das Starterfeld ließen die geforderte Zeit nicht zu.

Ich bin schon verärgert, dass ein großer Teil der angekündigten ausländischen Starter einen Tag vor dem Wettkampf ihren Start abgesagt hatten. Dabei waren es gerade die Läufer, die prinzipiell das Rennen gegen mich hätten gewinnen können und schnelle Jahresbestzeiten haben.

Mir war bereits vor dem Rennen klar, dass ich auf den letzten Metern auf mich allein gestellt sein würde, denn leider fehlte auch die nationale Konkurrenz um Wolfram Müller und Teamkamerad Franek Haschke krankheitsbedingt.

Vom Kopf her war ich bereit, diese Herausforderung anzugehen. Ich wägte mich allerdings in der Sicherheit, dass zumindest der Tempomacher seine Arbeit richtig machen würde und ich im Vertrauen auf diese einfach hinter ihm bis 1200m rennen könne, um dann richtig aufzudrehen. Es sollte leider alles anders kommen… 


Alles anders als geplant

Leider hatten die Manager nicht nur ihre Topathleten kurzfristig für andere Sportfeste abgezogen, bei denen es vermutlich mehr abzugreifen gab und schnellere Zeiten zu erwarten waren. Nun kam es auch noch dazu, dass der Tempomacher aus Dessau und Kassel, der seine Arbeit extrem präzise gemacht hatte, sich entschied, heute lieber selbst durchzulaufen. Ein anderer Tempomacher wurde beauftragt und damit nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Wir absolvierten die erste Stadionrunde in perfekten 56sec. Ich war sehr zufrieden und lief weiterhin an Position drei hinter dem Tempomacher. Aber irgendwas stimmte auf der zweiten Runde nicht – war ich wirklich so frisch, wie ich mich fühlte, oder stimmte etwas mit dem Tempo nicht? Nach 800m bekamen wir die Quittung – 1:55min! Wir hatten also schnuckelige 59sec für die zweite Runde gebraucht.

Ich versuchte, mich weiter nach vorne zu schieben, um dem Tempomacher zu signalisieren, dass wir wieder Fahrt aufnehmen müssen, wurde aber von dem Kenianer Philemon Kimutai behindert und kam vor der Kurve zur 1000m Marke nicht mehr vorbei. So passierten wir die 1000m in lahmen 2:25min. Zu dem Zeitpunkt bin ich losgerannt und habe auf nichts und niemanden mehr Rücksicht genommen. Eigentlich war zu dem Zeitpunkt das Rennen schon vertan, denn wir hätten etwa vier Sekunden schneller sein müssen.

Ich rannte am Tempomacher und am vor mir liegenden Kenianer vorbei und passierte die 1100m in 2:38 – okay, Carsten, sagte ich mir, es ist kein Problem, Du hast die Abschlußrunde mit 57-58sec drauf. Gib Dich jetzt nicht auf! Auf der Gegengerade bekam ich dann noch mal richtig Gegenwind – "egal! weitertreten!" sagte ich zu mir.

Auf der Zielgeraden angekommen, hatte mich die Tempoverschärfung und der Wind doch extrem viel Kraft gekostet und ich konnte einfach nicht mehr beschleunigen. Auf den letzten 50m sah ich schon die Zeit runterzählen und mir wurde klar, dass heute ein verlorener Tag war.

Nach dem Rennen ist vor dem Rennen

Nach dem Rennen fragten alle: "Und, wie geht es jetzt für Dich weiter? Wann läufst Du das nächste Mal auf Norm?" – ganz so, als könne ich mich gleich in den folgenden Tagen wieder irgendwo anders an die Linie stellen und mal eben die Olympianorm laufen. Eine solche Herangehensweise ist ruinös, besonders wenn klar ist, dass die Rennen internationale Topzeiten nicht hergeben. Ich werde mir meinen nächsten Start sehr gut überlegen – eins ist mir allerdings schon klar – auf die Wiederholung eines solchen Rennens werde ich mich nicht einlassen!

Mangelndes Geld?

Nach dem Rennen ging es dann an die Aufarbeitung. Die Veranstalter des Meetings versteckten sich hinter der Anklage an die Manager, die einfach ihre Athleten überall anmelden, um sich dann für die beste Startoption – in der Regel die lukrativste – zu entscheiden. Diese Entschuldigung ändert zwar nichts an dem ärgerlichen Rennen, ist aber zumindest nachvollziehbar. 

Aber warum ist es so schwer, einen vernünftigen Tempomacher zu verpflichten, der dann auch wirklich seine Zeiten bringt und sich nicht plötzlich entscheidet, einfach durchzulaufen und sein Glück zu versuchen? Letztendlich steht der Tempomacher in einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Meeting und mir ist nicht klar, wie es dazu kommen kann, dass dieser Vertrag einfach so gebrochen wird?

An dieser Stelle ist sicherlich die Vermutung richtig, dass der Tempomacher so schlecht bezahlt wird, dass es sich unter bestimmten Umständen für den Tempomacher eher lohnt, lieber selbst durchzulaufen. Die deutschen Sportfeste wollen gerne einen deutschen Athleten präsentieren, der sich im internationalen Feld gut schlägt – um so unverständlicher ist es, dass kein vernünftiger Tempomacher einbestellt wird.

Nun war mein Lauf gestern aus der Zuschauersicht mit Sicherheit mitreißend – ein Deutscher, der schon eine Runde vor Schluß klar zu erkennen gibt, dass er alle internationalen Läufer stehen lässt und sein Rennen bis zum Sieg durchzieht. Dass für mich die entscheidenden 1,4sec gefehlt haben, dass werden sicherlich die wenigsten Zuschauer mitbekommen haben.

Aus der persönlichen Sicht und der der Deutschen Leichtathletik war dieses gestrige Ereignis eine ernüchternde Erkenntnis. 

Danke für ihre Aufmerksamkeit, Carsten


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