Kogo und die deutsche Spitzenklasse

Spiridon Februar 2011 - Silvesterlauf Trier Bericht

Es gibt nicht jedes Jahr Haile-Gebrselassie-Festspiele in Trier. Diese Erkenntnis drückte sich auch in der Teilnehmerzahl und der Qualität der Felder beim Silvesterlauf aus. Die Zuschauerzahl lag deutlich hinter den aus den Vorjahren gewohnten Zahlen, was sicherlich auch an der rundum ungemütlichen Witterung lag. Es gelang die Strecke vom Schnee komplett freizuräumen, das feuchte und glatte Pflaster ließ jedoch keine Rekordzeiten zu. Da mit dem Kenianer Micah Cogo nur ein Klasse-Afrikaner am Start war, konnte die deutsche Spitzenklasse um die vorderen Plätze mithalten. Bei den Frauen hatte Sabrina Mockenhaupt hingegen keine ernsthafte Konkurrentin zu fürchten.

Micah Kogo, Bronzemedaillengewinner von Peking, früherer Weltrekordler über 10 km auf der Straße und Sieger des Trierer Silvesterlaufs von 2008, war als Starter eigentlich nicht vorgesehen, sondern nur als Ersatz für den dreimaligen Sieger und Commonwealth-Meister Moses Kipsiro (Uganda) eingesprungen, der sich eine Woche zuvor auf vereister Trainingsstrecke am Ort seiner Londoner Agentur verletzt hatte. Dass Micah Kogo der einzige wirkliche Weltklasseathlet im Feld war, zeigte sich schnell. Versuchten in der ersten Runde noch einige Läufer sich an den Kenianer dranzuhängen, war Kogo auf den weiteren 7 km locker solo unterwegs. Die Zeit für die 8.000 m kam mit 22:57 min an die Rekorde der Vorjahre nicht heran — mehr wurde ihm nicht abgefordert —, und in Kurven hatte er immer etwas Vorsicht walten lassen, um bei Temperaturen um 0°C nicht wegzurutschen. Mit Arne Gabius, André Pollmächer und Carsten Schlangen waren gleich drei Deutsche Meister auf den Mittel- und Langstrecken am Start. Erwartungsgemäß war die 8-km-Distanz für Gabius am besten zugeschnitten. Der Tübinger spielte eine aktive Rolle im Verfolgerfeld und lieferte sich im Spurt ein erfolgreiches Duell um Platz 2 mit dem Polen Mariusz Gizynskk Die Zeiten: 23:19 und 23:22 min. Der Chemnitzer André Pollmächer lief lange allein ein gleichmäßiges Rennen. In lockerem Stil und ohne merkliche Anstrengung platzierte er sich als Sechster in 23:46 min. Ebenfalls taktisch legte der Berliner EM-Zweite über 1.500 m, Carsten Schlangen, zu seinem 30. Geburtstag seinen Lauf auf Platz 7 an. Er führte lange die zweite Verfolgergruppe an und setzte sich erst in der letzten
der acht Runden ab. Seine Zeit: 24:08 min. Dabei ließ er auch den Trierer Lokalmatador Marc Kowalinski hinter sich (Neunter in 24:12 min).

Mocki mit Schnellstart

Beim 5-km-Rennen der Frauen legte Sabrina Mockenhaupt auf der ersten 1.000-m-Runde ein flottes Tempo vor und verschaffte sich hier bereits gut 60 m Vorsprung. Den baute sie in der zweiten Runde weiter aus, um den Vorsprung anschließend nur noch zu verwalten. Hinterher sprach sie selber vom einem „Bluff”, sie sei froh, dass die Gegnerinnen das nicht bemerkt hätten. Die Zeit der Siegerin war 16:25 min. „Meine schlechteste Zeit bisher in Trier”, wie die Siegerländerin kritisch vermerkte. Im Verfolgerfeld machten die letztmalig für Grün-Weiß Kassel startenden Zwillinge Anna und Lisa Hahner auf sich aufmerksam. Anna kam in 16:56 min ins Ziel und auf Platz zwei, Lisa in 17:13 min auf Platz vier. Dazwischen schob sich mit Gesa Krause (Frankfurt) eine weitere große deutsche Nachwuchshoffnung mit 16:58 min aufs Podium. Beachtlichster Altersläufer war der 49- jährige Henrik Jörgensen, der die M45 in 26:34 gewann und schneller war als der beste M40er. Jörgensen besuchte in Trier seinen Schwiegersohn Thorsten Baumeister, der im Eliterennen 12. wurde, während Tochter Anna Holm mit gebrochenem Arm zusah. Kathrin Dörre-Heinig startete diesmal nur im 5-km-Volkslauf und unterlag um 2 sec der 14-jährigen Nina Mertes, der Tochter von Berthold. Eine andere 14-jährige, Kathrin Morbe, ebenfalls aus Trier, wurde in bemerkenswerten 18:47 min 13. des Elitelaufs der Frauen. Organisator Berthold Mertes, der in den vergangenen Jahren für den sportlichen Aufstieg des Trierer Silvesterlaufs verantwortlich zeichnete, hat aus beruflichen Gründen — er ist Pressechef der deutschen Antidopingagentur NADA geworden und will sich daher z. B. aus der Verpflichtung von Spitzenathleten heraushalten — den Vorsitz des Silvesterlaufvereins Trier an Norbert Feder abgegeben. Mit einem gut dotierten Dreijahresvertrag mit Hauptsponsor „Bitburger Brauerei” im Rücken, muss der Trierer Silvesterlauf jedoch an seinem Anspruch arbeiten, der profilierteste Silvesterlauf in Europa zu sein. Die Teilnehmerfelder schwächelten, nicht nur wegen einiger kurzfristiger Absagen. Organisation und Präsentation waren unter der Moderation von Wolf-Dieter Poschmann und Berthold Mertes hingegen gewohnt erstklassig, getragen von der Konfetti- und Sambastimmung auf und um den historischen Trierer Hauptmarkt.

Schlangen kam mit Skiern an

Als Carsten Schlangen im tiefverschneiten Trier ankam, führte er zum Erstaunen seiner Gastgeber Langlaufski im Gepäck. Zwar hätte er das Stück vom Bahnhof zum Hotel durchaus auf den schmalen Brettern zurücklegen können, und Carsten Schlangen mißtraute auch nicht der Zusage der Veranstalter, die Laufstrecke rechtzeitig vom Schnee frei zu schippen. Nein, der Berliner hatte seine Ausrüstung für seinen anschließenden Skiurlaub im norwegischen Lillehammer mitgenommen. Bereits zum sechsten Mal zieht er den Schnee vor und verzichtet auf Hallenstarts. Die engen Kurvenradien belasteten seiner Meinung nach die Gelenke zu sehr. In den Vorjahren hat er im Skatingstil unter guten Bedingungen im norwegischen Schnee bereits Tagesetappen von bis zu 68 km bewältigt. Eher notgedrungen und auf Rat ihres Vater kam Sabrina Mockenhaupt auf die Langlaufbretter. Das Siegerland sei „Schnee unter” und Laufen im Wald unmöglich, berichtete sie in Trier. Das Laufen auf schmal freigeschippten Straßen gegen und mit dem Autoverkehr empfände sie als unangenehm, ja gefährlich, Mocki räumte ein, das ihr die erste Einheit auf Skiern Muskelkater bereiteten. Dennoch mache es ihr Spaß und sie werde dabei bleiben. Und schon ist in ihr Ehrgeiz erwacht: „Noch fährt der Papi schneller als ich, mal sehen, wie lange das so bleibt,” meinte Mocki, die übrigens ebenfalls die Hallensaison auslassen will. Den Schnee hasst dagegen André Pollmächer. Er musste deshalb am Rande des Erzgebirges zuletzt seine Trainingsläufe reduzieren. Langlaufski will er dennoch nicht ausprobieren. Auf der Pressekonferenz in Trier dämpfte er deshalb vorab die Erwartungen an sein gegenwärtiges Leistungsvermögen. Längerfristig hat der Sachse für sein Comeback dagegen große Pläne. Über einen Halbmarathon im Frühjahr will er im Herbst 2:12 h auf der klassischen Distanz erreichen. Damit qualifiziert, will er sein großes Ziel, die Olympischen Spiele in London, in Angriff nehmen. Und Pollmächer setzt noch eins drauf: „Warum soll ein Deutscher nicht mal wieder 2:10 h laufen?” und meint offenbar vor allem sich selbst. Wir hören es gerne …

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