Meinen ersten 10-Kilometer-Lauf habe ich mit elf Jahren gemacht. Ich weiß noch genau, dass ich knapp unter 40 Minuten geblieben bin. Danach hat dann der Leichtathletik-Verein angefragt, ob ich nicht ins Training kommen mag.
Schon beim Meeting in Königs Wusterhausen hatte Carsten Schlangen mit 2:17,44 Minuten über 1.000 Meter angedeutet, dass er die 1.500-Meter-Olympianorm in den Beinen hat. Als bislang letzter Deutscher war Nils Schumann 1999 so schnell – im Jahr vor seinem Olympiasieg über 800 Meter.
Beim DKB-ISTAF steigerte der Berliner vor heimischem Publikum als Zehnter in einem Weltklassefeld seine Bestzeit auf 3:34,99 Minuten und machte einen großen Schritt Richtung Peking. In den vergangenen zehn Jahren war Rüdiger Stenzel als einziger deutscher Läufer schneller, der 1999 3:34,66 erzielt hatte.
Herr Schlangen, wie haben sich die letzten 100 Meter auf dem Weg zur Olympianorm angefühlt?
Die Zielgerade war extrem hart, ich habe mich nur auf die Gruppe vor mir konzentriert. Im gesamten Rennen konnte ich keine 10 Meter locker lassen, sonst hätte ich die Norm verfehlt.
Wussten Sie im Ziel sofort, dass sie die vom DLV geforderten 3:35,50 Minuten unterboten hatten?
Nein, ich habe zuerst nur an die B-Norm von 3:36,30 geglaubt, als ich auf den letzten 40 Metern die Sekunden auf der Uhr im Ziel hochzählen gesehen habe.
Jetzt müssen Sie nur noch einmal schneller als 3:36,30 Minuten laufen, dann ist der Weg nach Peking frei…
Ja, aber das wird hoffentlich einfacher als die erste Norm. Schließlich habe ich in Berlin mein erstes Rennen in dieser Saison gemacht und normalerweise läuft es in den nächsten Wettkämpfen besser.
Auf Ihrer Website www.carsten-schlangen.de finden sich nicht nur jede Menge News, Ihr Blog und Ergebnisse – man kann sich sogar einige Ihrer Rennen als Video anschauen. Wie schaffen Sie es neben Training und Wettkämpfen, auch noch einen so professionellen Internet-Auftritt hinzulegen?
Das geht nur deshalb, weil ich derzeit mein Architekturstudium unterbrochen habe. Ich investiere schon zwei bis drei Stunden täglich in die Internet-Seiten. Mehr Arbeit als meine eigene Seite macht allerdings die unseres Teams www.hauptstadtlaeufer.de.
Was treibt Sie an, so viel Zeit dafür aufzubringen?
Das ist vor allem ein Service für die Presse, die oft Texte und Informationen von unseren Seiten übernimmt. So können wir in gewissem Maß Einfluss darauf nehmen, was die Zeitungen über uns schreiben. Und natürlich dient es dazu, den Begriff Hauptstadtläufer als Marke zu etablieren und Fans und Freunde zu informieren.
Würden Sie lieber auch im Wettkampf für ein Team namens Hauptstadtläufer antreten als für einen Verein wie die LG Nord Berlin?
Wir bekommen vom Verein schon die Unterstützung, die wir brauchen. Aber sicherlich wäre es reizvoll, unter der Marke Hauptstadtläufer anzutreten. Ich habe vor dem DKB-ISTAF kurz überlegt, mir mit einem Filzstift „Hauptstadtläufer“ auf die Arme zu schreiben, es dann aber doch sein gelassen. Solche PR-Aktionen rauben ja auch Energie und lenken vom Wesentlichen ab – und das ist, schnell zu laufen. Deshalb habe ich auch kein Fotoshooting für eine Zeitung gemacht, bei dem ich eine Schlange um den Hals tragen sollte. Das fand ich albern. Ich habe aber schon daran gedacht, mir vor dem DKB-ISTAF die Buchstaben BVG auf die Arme zu schreiben…
…was haben Sie mit den Berliner Bussen und U-Bahnen zu tun?
Sie haben mich zum Olympiastadion gebracht.
Das ist nicht Ihr Ernst. Ein ISTAF-Teilnehmer muss mit dem öffentlichen Nahverkehr anreisen?
Es war das Einfachste. Wegen einer Radsternfahrt in Berlin waren so viele Straßen gesperrt, dass kaum Autos durchkamen. Außerdem bin ich auch im Alltag nur mit dem Rad, Bus und Bahn unterwegs. Ich habe gar kein Auto und finde, dass man in einer Stadt wie Berlin auch keins braucht.
Das klingt fast so unkonventionell, wie die Methoden, mit denen Ihr Coach Professor Roland Wolff das Training steuert.
Das Entscheidende dabei ist die Qualität: Wir absolvieren jede Woche drei bis vier intensivere Einheiten. Und niemand weiß, wie lange, wie schnell und mit welchen Pausen er laufen muss, bevor das Training beginnt. Keiner aus unserer Gruppe hat einen Trainingsplan, das Konzept liegt bei unserem Trainer im Tresor. Wir kommen auf den Platz, und der Trainer sagt, was zu tun ist. Das hat den großen Vorteil, dass niemand ins Zweifeln kommen kann, wenn er das vorgegebene Pensum nicht erfüllen kann. Denn außer dem Trainer kennt das ja niemand. So habe ich mich im vergangenen Jahr nach dem Blackout beim Europacup (Anm. der Redaktion: in München war Carsten Schlangen während des 3000-Meter-Laufs zusammengebrochen und musste aus dem Stadion getragen werden) schnell wieder erholt. Auch jetzt hat mir das geholfen, eine Verletzung kurz vor Saisonbeginn zu überwinden.
Was hatten Sie denn?
Ich konnte wegen muskulärer Probleme am Oberschenkelbeuger eine Woche lang nicht richtig schnell laufen und war deshalb in Königs Wusterhausen extrem erleichtert, dass es dort schon so gut lief.
Auf Ihrer Website gibt es eine Rubrik „Emsland“, in der Sie die Vorzüge Ihrer Heimat in Niedersachsen beschreiben. Wie kam es zu dem Wechsel von Meppen nach Berlin?
Ich bin wegen meines Studiums nach Berlin gezogen, im Sport war ich damals noch nicht so gut. Jetzt genieße ich die Lebensqualität hier: In Berlin lässt sich sehr viel erleben – anders als in anderen großen deutschen Städten selbst mit dem Geldbeutel eines Studenten.
Erinnern Sie sich noch an Ihre Anfänge als Läufer?
Meinen ersten 10-Kilometer-Lauf habe ich mit elf Jahren gemacht. Ich weiß noch genau, dass ich knapp unter 40 Minuten geblieben bin. Danach hat dann der Leichtathletik-Verein angefragt, ob ich nicht ins Training kommen mag. Damals habe ich noch Fußball gespielt, war aber relativ klein und schmächtig. Es drohte die Gefahr, auf der Ersatzbank zu landen. Deshalb habe ich mich schnell für die Leichtathletik entschieden. Zuerst haben sie im Verein versucht, eine Mehrkampfausbildung mit mir zu machen. Ich hatte aber kein Talent und vor allem war ich langsam. Wenn ich 100 Meter gelaufen bin, habe ich dafür 17 Sekunden gebraucht – das Tempo konnte ich bald auch über 1000 Meter durchhalten…
Interview: Christian Ermert in "leichtathletik" vom 4. Juni 2008, Nr. 23