An der Zeit
14 Mai 2009Hier ein kleiner Beitrag, den ich ursprünglich zum Jahreswechsel 2008/2009 im Hinblick auf die anstehende Weltmeisterschafts-Saison geschrieben hatte – allerdings seiner Zeit aus gegebenem Anlass und der thematischen Nähe von mir zurückgestellt wurde . Die guten Zeiten im Training und im ersten Wettkampf der Sommersaison erinnerten mich daran, dass dieser Beitrag bisher leider unpubliziert geblieben ist…
Mit dem Jahreswechsel begann für mich nicht nur ein spannendes Jahr mit Leichtathletik Weltmeisterschaften in der eigenen Stadt sondern auch ein neues Lebensjahr. Genau genommen wurde ich zwar noch am 31.12.2008 ein Jahr älter, aber das soll nicht Gegenstand der Betrachtung sein. Viel mehr soll es um eine allgemeine und persönliche Betrachtung von Zeit und Alter gehen.
Im Lauf dreht sich alles um Zeiten. Alles wird an der Zeit gemessen. Runden, Normen, Bestleistungen, Rekorde. Für alle Leistungen im Lauf gibt es den einen vergleichbaren Maßstab. Aber wie steht es mit dem Alter – der Angabe über Jahre, Tage, Minuten und Sekunden eines Athleten?
In der Leichtathletik und insbesondere im Sprint- und Laufbereich wird immer wieder versucht, eine allgemein gültige Richtlinie zu definieren, welches Alter für welche Strecke ideal sei. Viel wird darüber gemutmaßt, in welchem Alter die meisten Rekorde auf welcher Strecke aufgestellt werden. Einige grobe allgemeine Richtlinien lassen sich aus sportmedizinischer Sicht ableiten. Einzelne Beispiele wie Merlene Ottey, die mit 44 Jahren das Halbfinale der Olympischen Spiele über 100m erreichte und knapp das Finale verpasste zeigen allerdings, dass die eine allgemein gültige Richtlinie sicherlich nicht existiert.
Es geht meiner Meinung nach vielmehr um die Betrachtung des persönlichen Alters eines Athleten beziehungsweise einer Athletin – aber was genau ist das persönliche Alter?
In die Einzelfallbetrachtung fließen sicherlich unterschiedlichste Sachverhalte ein. Wie lange trainiert der Athlet bereits? Welche Trainings- und Wettkampfbelastungen hat der Athlet bereits erfahren? Wie verläuft die Entwicklung der Leistung über die Jahre? Wie groß ist die Motivation? Kann sich der Athlet maximal belasten? Spielt die Gesundheit mit?
Schnell wird man feststellen, dass eine nicht enden wollende Anzahl an Faktoren die Sicht auf die Dinge vernebelt. Wie wichtig ist welcher Einzelfaktor? Ist auch alles berücksichtigt? Hinzu kommt, dass es in den meisten Fällen um die Betrachtung der eigenen Leistungsfähigkeit und der eigenen Leistungsreserven geht und die Gefühlslage die neutrale Betrachtung erschwert. Plötzlich ist alles nicht mehr genau messbar. Scheinbar klare Indizes wie Laktatwerte und Pulsfrequenzen verblassen vor der eigenen Hoffnung auf den nächsten Leistungssprung.
Vor einigen Jahren, noch bevor ich mich dazu entschloss, den Laufsport professionell auszuüben, haderte ich mit eben solchen Gedanken. Meine Zeiten stagnierten etwas. Die Schul- und Unibelastungen trübten das Bild auf das wirkliche Leistungsvermögen. Alles schien in der Betrachtung plötzlich Kraft und Potential zu rauben. Mit 27 hörte ich von vielen Seiten, sei das beste Alter für einen Mittelstreckenläufer – eine wirkliche Begründung für die These gab es nicht.
Aus heutiger Sicht müsste die Behauptung des Leistungszenits im Alter von 27 Jahren mich zu der Erkenntnis führen, die größten Ereignisse und die besten Ergebnisse bereits hinter mir zu haben. Mit nun 28 Jahren habe ich über die 1500m Distanz nichts mehr zu erwarten? Halbfinale der Olympischen Spiele – das wars! Der mir so häufig geratene Wechsel auf die Langstrecke sollte der einzig logische Schritt sein…
Sicherlich entwickeln sich meine Zeiten und Platzierungen über die längeren Strecken im Moment recht gut – Streckenrekord beim SCC Cross über 10km – 4. Platz beim Silvesterlauf in Trier über 8km. Einen Rückschluß auf einen baldigen Rückgang des Leistungsvermögens über die Mitteldistanzstrecken kann damit allerdings nicht abgeleitet werden.
Im Gespräch mit Athleten aus der eigenen Laufgruppe entwickelt sich bei mir momentan ein etwas anderes Bild. Auch dieses ist sicherlich zum Teil genährt von der Hoffnung auf die nächste Leistungsexplosion – aber ebenfalls von vielen einzelnen Beobachtungen im Trainingsalltag.
Ich bin immer noch hungrig auf die 1500m, ich glaube an eine deutliche Leistungssteigerung in dieser Saison. Konkrete Zeiten und Platzierungen habe ich im Blick. Ich kann es kaum abwarten, bis die Saison richtig los geht. Es ist an der Zeit richtig schnell zu laufen. Ich bin im richtigen Alter.
Danke für Ihr Intresse, Carsten