Geschrieben von: Carsten Schlangen/Friedhard Teuffel - Tagesspiegel
19 August 2009 | Kommentare (0)
Carsten Schlangen fährt im Athletenhotel ungern Fahrstuhl – darin stinkt es mittlerweile.
Man kann inzwischen riechen, dass die Leichtathletik-WM schon ein paar Tage dauert. Auf den Fluren unseres Mannschaftshotels breitet sich ein etwas säuerlicher Geruch aus. Manche Athleten müffeln ganz schön, das merkt man vor allem, wenn man mit ihnen im Fahrstuhl fährt. Die Ausrüstung geht nämlich nach einigen Tagen doch zur Neige.
Wir sind in der deutschen Mannschaft ja noch ganz gut ausgestattet, aber offensichtlich hatte der Ausrüster mit kühleren Temperaturen gerechnet. Vor allem an T-Shirts und Polohemden fehlt es. Leider gibt es bei diesen Weltmeisterschaften keinen Wäscheservice wie bei Olympischen Spielen. Und alles vom Hotel waschen zu lassen, wird dann manchen wohl doch etwas zu teuer. Ich bin deshalb am Montag mal in meine Wohnung gefahren und habe eine kleine Waschsession veranstaltet. Ein echter Heimvorteil. Anderen Athleten aus der deutschen Mannschaft habe ich das ebenfalls angeboten, aber die meinten, sie kämen auch so klar. Sie waschen ihre Sachen einfach im Waschbecken mit dem Hotel-Shampoo.
Vor allem die Siebenkämpferinnen und Zehnkämpfer machen das, die verbrauchen mehr Trikots, aber auch Werner Daniels hat mir das erzählt, der Trainer unserer Speerwerferin Christina Obergföll. Für das Speerwurf-Finale, das am Dienstagabend stattfand, hätte er sich extra noch ein Polohemd im Waschbecken gewaschen. Sah auch gut und sauber aus, fast wie gebügelt.
Geschrieben von: Carsten Schlangen/Friedhard Teuffel - Tagesspiegel
18 August 2009 | Kommentare (0)
Carsten Schlangen gab den Weg vor – nun joggen die WM-Stars auf seiner Wiese
Meine Wohnung liegt in Prenzlauer Berg, deshalb gehe ich zum Laufen gerne in den Volkspark Friedrichshain. Dort kann man auch auf Rindenmulch laufen, das ist für die Füße sehr angenehm. Früher habe ich mal in der Nähe des Tiergartens gewohnt, das ist als Läufer natürlich sehr praktisch.
Ich habe im Tiergarten aber nicht die Kieswege genutzt, sondern die Grasflächen und mir einen Weg zusammengesucht, um nur auf diesem Boden trainieren zu können. Einziges Problem dabei: Manche Leute haben mich sehr komisch angeschaut, so als wollten sie sagen: Was willst Du denn hier, das ist eine Liegewiese, musst Du hier angeben? Dabei wollte ich nur auf weicherem Boden laufen, um meine Füße zu schonen.
Als ich jetzt während der WM zu meinem Grasweg im Tiergarten kam, habe ich mit Vergnügen festgestellt, dass der Pfad ganz schön ausgetrampelt war. Dort trainieren jetzt viele Teilnehmer der Weltmeisterschaften. Gerade afrikanische Läufer sind es gewohnt, auf weicherem Untergrund zu laufen. Jetzt stellt bestimmt auch keiner der Liegewiesenbesucher mehr das Grasflächenlaufen in Frage: Es hat eben eine besondere Wirkung, im Nationaltrikot unterwegs zu sein.
Geschrieben von: Mehr als Laufen das Magazin zur Leichtathletik-WM 2009 in Berlin - Jade-Yasmin Tänzler
18 August 2009 | Kommentare (0)
Sein Ziel ist und bleibt das Finale – doch Carsten Schlangen kann momentan nur unter Schmerzen laufen. Ob er trotzdem auf der blauen Bahn auf 1.500 Metern erfolgreich sein wird?
Interview:
Sie haben das Bundesleistungszentrum Kienbaum vor einer Woche als eine Art Zwangsveranstaltung beschrieben. Fühlen Sie sich hier eingeengt?
Die deutsche Nationalmannschaft muss zwangsweise nach Kienbaum. Aber ich empfinde Kienbaum jetzt doch anders, als ich es mir vor einer Woche gesagt habe. Es ist ziemlich locker hier, und man wird nicht Tag und Nacht belagert. Es wird auch nicht ständig auf einen aufgepasst. Man kann mal mit dem Fahrrad rausfahren, wie ich das mache. Kienbaum ist also doch sinnvoll, denn in Berlin kommt man wenig zur Ruhe.
Sie wohnen und trainieren in Berlin, ist es da etwas Besonderes für Sie, im Olympiastadion die WM zu bestreiten?
Im Olympiastadion ist Laufen immer etwas Besonderes. Ich habe die Wettkämpfe dort immer sehr genossen. Ich bin im Olympiastadion 2008 und 2009 meine beiden Bestzeiten gelaufen und laufe sehr gerne dort. Die Bahn dort ist sehr schnell. Es ist einfach ein schönes Gefühl, unten in diesem Kessel zu sein. Mittlerweile kennen die Zuschauer einen auch ein bisschen.
Was macht die blaue Bahn im Olympiastadion besonders?
Ich bin bisher im Olympiastadion immer Bestzeiten gelaufen. Ich habe da einfach das Gefühl, das ich auf der Bahn sehr gut rollen kann. Es gibt auch Stadien, da weiß ich immer schon, das läuft nicht, aus welchem Grund auch immer. Im Olympiastadion sind die Außenmauern ziemlich hoch, das ist wie ein Kessel. Wenn man dann mal ungünstigen Wind hat, pfeift vielleicht vom Marathontor mal was rein, aber ansonsten ist es total windstill dort. Das ist ideal. Da habe ich mein eigenes Mikroklima.
Wie wirkt die blaue Farbe der Tartanbahn?
Ich finde die blaue Farbe persönlich sehr angenehm. Das ist bei mir vielleicht auch im Bereich der Psychologie angesiedelt. Manchmal sind diese roten Farben bei Wettkämpfen sehr aggressiv. Blau wirkt da von der Farbwahl her eher beruhigend. Als Architekt kann ich da ein Beispiel bringen: In Washington DC hat man das bei der Stadtplanung auch mit einbezogen. Es sollte eine Kombination aus Blau, Grün und Weiß werden. Die Gebäude sollten weiß sein, die angelegten Seen blau und die Wiesen grün. Und zumindest blau und grau-weiß haben wir im Olympiastadion auch schon. Vielleicht ziehen sich ein paar Läufer dann noch grün an. (lacht)
Beim Boxen gibt es einen Moment, wo sich die Gegner einschüchternd in die Augen schauen. Gibt es unter Läufern auch solche Rituale?
Läufer sind ja von ihrer Natur aus eher verhuscht. Robert Harting würde wahrscheinlich sagen, wir sind die Leute mit dem Hang zum Flüchten. Es gibt mit Sicherheit Leute, die sich vor dem Start sehr stark in die Augen gucken und verunsichern wollen. Aber die meisten Läufer schauen sich im Callroom – da wo man letztendlich das erste Mal zusammentrifft – vielleicht kurz an. Aber dann guckt man auch gleich wieder weg oder auf den Boden. Die meisten Läufer haben mit ihren eigenen Ängsten und Sorgen schon genug zu tun, dann kommt es meist nicht zu so einer Boxersituation.
An welchen Orten in Berlin trainieren Sie besonders gerne?
Bei mir vor der Haustür habe ich eine Lieblingsroute, die ich oft laufe. Dieses Jahr ging das nicht so häufig, weil ich Probleme mit einer Knochenhautentzündung hatte. Die Strecke hat 50 Prozent Stadt- und 50 Prozent Parkanteil. Ich laufe zum Volkspark Friedrichshain, da gibt es eine Finnenbahn weiter hinten, die ist schön weich. Wenn ich dann zurücklaufe zu meiner Wohnung, geht es ein kleines Stück bergab, entlang der Kollwitzstraße. Da kann ich dann nochmal richtig Gas geben.
Was ist ihr persönliches Ziel für die WM?
Ich muss meine Ziele vielleicht ein bisschen zurückstecken. Das Finale ist für mich das ultimative Ziel. Aber es wird zunehmend unrealistischer, weil ich seit sechs Wochen eine Knochenhautreizung am Schienbein habe. Das ist eine Verletzung, die zwar nicht schlimm ist und die nach der Saison auch relativ schnell ausheilt, die aber sehr schmerzhaft ist. Ich kann nach Läufen teilweise nicht auslaufen gehen, weil es mir so weh tut. Das behindert mich im Training. Ich bin zum Ausgleich jetzt immer Fahrrad gefahren und nur in Wettkämpfen volles Rohr gelaufen. Jetzt muss sich zeigen, ob die Fitness reicht, bei der WM in den Zwischenlauf zu kommen. Ich hoffe schon, dass das einigermaßen klappt. Ich muss sehen, wie weit ich die Schmerzen ertragen kann.
Geschrieben von: Süddeutsche Zeitung - Sport
17 August 2009 | Kommentare (0)
1500-Meter-Läufer Schlangen scheidet aus – und ist zufrieden
Es gibt auch glückliche Verlierer bei dieser WM, der 1500-Meter-Läufer Carsten Schlangen ist so einer. Der 28-Jährige war gleich am Samstag ausgeschieden, als Neunter seines Vorlaufs in 3:44,00 Minuten, ebenso wie der Kollege Stefan Eberhardt aus Erfurt, der sich danach allerdings geärgert hat. In 3:40,05 war er nur Zehnter seines Rennens geworden, das aber im schnellsten der vier Vorläufe: Ein Platz besser, eine Hundertstelsekunde schneller – und der auf den letzten Metern resignierende Eberhardt hätte das Halbfinale an diesem Montag erreicht.
Im Gegensatz zu Eberhardt und den übrigen früh Gescheiterten des deutschen Teams (Dreispringerin Katja Demut mit nur einem gültigen Versuch von 11,3 8 Meter in der Qualifikation sowie die 100-m-Sprinter Tobias Unger und Stefan Schwab mit 10,42 bzw. 10,50 Sekunden im Vorlauf), konnte Schlangen wenigstens erklären, warum er deutlich hinter seiner Bestleistung geblieben war: Der deutsche Meister leidet seit sechs Wochen unter einer Knochenhautentzündung am Schienbein, „normalerweise braucht man zwei Wochen Ruhe, um das auszuheilen", sagt er, „aber das konnte ich mir nicht leisten – dann ist die Form ganz weg". So ist er zuletzt nur bei Wettkämpfen gelaufen und ansonsten Rad gefahren, um die Ausdauer zu erhalten. „Das spezifische Training hat mir gefehlt", sagte er, die Tempohärte auf den letzten 200 Metern, auf denen er nach hinten durchgereicht wurde.
Gefallen hat ihm der Auftritt im Olympiastadion trotzdem. Der gebürtige Meppener startet für die LG Nord Berlin, für ihn war es ein Heimspiel. „Ich habe mich wirklich gefreut", sagte er, und als er nach 800 Metern in Führung ging um das Tempo hoch zu halten, und das Raunen auf der Tribüne lauter wurde, habe er „gemerkt, wie viel Spannung in diesem Stadion steckt. Es war 'ne super Atmosphäre, auch wenn's nicht voll war". Dass am ersten Tag nur 40 000 Zuschauer kamen, ist nicht Schlangens Schuld, er hat getan, was er konnte, um Leute ins Stadion zu locken. 200 Freunde und Bekannte aus dem Emsland sowie aus seinem Kiez in Berlin seien am Samstag nur seinetwegen gekommen, sagt er. Schlangen hat sogar selbst öffentlich geworben, weil ihm die Maßnahmen des Organisationskomitees nicht genug waren.
„In Berlin mit seinen 200 Mega-Events pro Jahr kann man vielleicht auch keine sechs Monate Dauerbeschallung machen", sagt er. Jedenfalls sieht man nun am Alexanderplatz, Ecke Karl-Liebknecht-Straße, wo eine Tiefgarage gebaut wird, eine Carsten-Schlangen-Figur über die blauen Rohre rennen, die dort überirdisch installiert sind zum Zwecke der notwendigen Grundwasserabsenkung; daneben hängt eine Leuchtanzeige, die auf seinen Start hinweist. „Die Werbung bleibt bis zum Ende der WM", sagt er. Wie viel die Aktion gekostet hat? „2500 Euro stand im Spiegel", sagt er, genau weiß er es nicht. Bezahlt hat ein Sponsor, die Hölscher Wasserbau GmbH aus seiner Heimat, die auf alles spezialisiert ist, was mit Wasser zu tun hat.
Für Carsten Schlangen ist diese Saison zu Ende, der Architekturstudent will nun seine Verletzung auskurieren und im Winter sein Diplom machen. Und obwohl sich seine Trainingsgruppe auflöst, will der 28-Jährige weiterrennen. Seine erste WM-Teilnahme hat Lust auf mehr gemacht: „Eigentlich", sagt Carsten Schlangen, „kann der Vorlauf bei einer WM nicht das letzte Wort gewesen sein".
Geschrieben von: Carsten Schlangen/Friedhard Teuffel - Tagesspiegel
17 August 2009 | Kommentare (0)
Carsten Schlangen überlegt gerade, zu seiner eigenen WM-Party einzuladen
Tag eins nach meinem Rennen, ich kann vor Schmerzen kaum auftreten. Jetzt bin ich fast ein bisschen froh, dass ich keinen Wettkampf mehr vor mir habe und mir stattdessen Zeit nehmen kann, meine Knochenhautentzündung auszukurieren. Das wird einige Wochen dauern. Im Mannschaftshotel am Lützowplatz bleibe ich während der WM wohnen. Es ist einfach nett hier und es passieren lustige Dinge. Auf dem Flur kam mir ein Athlet aus dem Kongo entgegen. Er trug ein schwarzes Shirt mit Deutschlandfahne. Als er sah, dass ich zur deutschen Mannschaft gehöre, hat er mir zugerufen: „Do you know me? I'm German." Über diesen Spaß hat er sich totgelacht. Sein Deutschlandshirt hat er sich am Flughafen gekauft, hat er mir erzählt, weil er von seinem Verband nicht genügend Sportsachen mitbekommen hat. Ich habe mir schon überlegt, ob ich nicht eine kleine Party in meiner Wohnung in Prenzlauer Berg mache und Athleten wie ihn einlade, mit denen ich in Kontakt komme oder die ich vorher kennengelernt habe. Einen Australier habe ich schon angesprochen. Es gibt auch noch einen Marokkaner, mit dem ich mich schon häufiger bei Wettkämpfen unterhalten habe. Das wäre dann meine WM-Party. Badewanne voll laufen lassen und Bier rein. Oder Grillen auf dem Hinterhof. Wie man das in Berlin eben so macht.