Die Zeit läuft. Noch knapp eine Woche muss Carsten Schlangen warten, dann steht sein Vorlauf über 1.500 Meter im „Vogelnest“ von Peking auf dem Programm. Im japanischen Shibetsu bereitet sich der „Spätstarter“ von der LG Nord Berlin derzeit mit der Deutschen Leichtathletik-Nationalmannschaft auf den größten Moment seiner Karriere vor: Auf seine Premiere bei den Olympischen Spielen.
Als die Spiele 2004 in Athen stattfanden, hatte er gerade einmal mit dem Leistungsport begonnen und war von einem einjährigen Studienaufenthalt aus Finnland zurückgekehrt. „Neben meinem Architektur-Studium wollte ich Leistungssport betreiben und hatte mir als Ziel gesetzt, irgendwann einmal bei den Deutschen Meisterschaften unter den Top 5 zu landen. Am Ende wurde ich 2005 Deutscher Vizemeister.“
Der große Durchbruch gelang ihm in diesem Jahr beim Berliner ISTAF, denn mit seiner persönlichen Bestzeit von 3:34,99 Minuten hatte er nicht nur die A-Norm für Olympia in der Tasche, sondern wurde auch bei international gut besetzten Meetings wahrgenommen. „Um über 1.500 Meter gut zu sein, brauchst Du gute Rennen. Es ist oft schwierig, dort einen Startplatz zu bekommen. Eine Zeit unter 3:35:00 Minuten hilft da natürlich enorm weiter.“ Den Deutschen Rekord über 1.500 Meter hält seit 1980 Thomas Wessinghage (3:31:58 min).
„Laufe ohne Uhr und nach Gefühl“
Carsten Schlangen weiß, dass Thomas Wessinghages Rekord schwer zu brechen ist, doch sein Ehrgeiz ist enorm. Der 27jährige trainiert viel und hart. „Ich laufe ohne Uhr und nach Gefühl. Das funktioniert.“ Die Grundlagen für die Olympiasaison hat er zusammen mit seinem Trainer Professor Roland Wolff im Dezember 2007 in Kuusamo (Finnland) gelegt. Danach folgten unter anderem Trainingslager in Portugal (März), Südafrika (März/April) und Königs-Wusterhausen (Juli).
Angst vor der Hitze in Peking kennt er nicht. „Das bin ich gewohnt. Vielmehr beschäftigt mich die Schwüle und die hohe Luftfeuchtigkeit, denn dass ist Gift für meine Neurodermitis.“
Als Kind war Carsten Schlangen immer auf die Langstrecke eingestellt, doch sein damaliger Trainer von Union Meppen hat ihm ganz schnell klar gemacht, dass er vor allem eine gewisse Grundschnelligkeit brauche. Und so ist er letztlich ein 1.500-Meter-Läufer geworden, der bis zur letzten Sekunde fighten kann. „Man muss bei dieser Distanz immer hellwach sein. Auch wenn das Tempo noch so brutal ist, musst du versuchen, einen lockeren langen Schritt zu ziehen und darfst dabei nicht an die Zwischenzeit denken.“
Favoritenrolle für Bernard Lagat
In der Favoritenrolle für den Olympiasieg in Peking sieht er Bernard Lagat (USA). „Er hat aus meiner Sicht auf den Punkt trainiert und die größten Chancen auf Olympisches Gold über 1.500 Meter. Ich bin überzeugt, dass ich den Zwischenlauf erreichen kann und wenn ich ein bisschen Glück habe, kann ich auch im Finale stehen.“
Carsten Schlangen, der sein Achitektur-Studium nach dem WM-Finale 2009 in Berlin beenden will, ist ein begeisterter Video-Filmer und Computer-Freak. „Ich finde, bei Filmen kann man so richtig kreativ sein und gleichzeitig bekommt man unvergessliche Erinnerungen für sein Leben.“
Später möchte er sich in der Architektur im Bereich Städtebau spezialisieren. Derzeit liest er an dem Buch „Olympic Architecture Beijing 2008“, in dem alle Olympia-Gebäude beschrieben sind. "Es ist toll, dass es der Sport ermöglicht, Architekturen in anderen Ländern zu sehen, die nicht jeder sehen kann.“ Nach den Spielen in Peking möchte er das Buch rezensieren. Doch jetzt konzentriert er sich erst einmal auf den größten Moment seiner Karriere: den Olympia-Vorlauf über 1.500 Meter im „Vogelnest“ von Peking am 15. August. Die Zeit läuft…