Nach Carsten Schlangens Einbruch über 3000 Meter lag das lange souverän führende deutsche Männerteam vor der abschließenden 4×400-Meter-Staffel scheinbar unaufholbare vier Punkte hinter den Franzosen. Und dennoch fehlten im Ziel nur Zentimeter zum Gesamtsieg.
Am Ende entschieden acht Hundertstelsekunden. So viel schneller hätte die deutsche Männerstaffel über 4×400 Meter sein müssen, um das Rennen vor den Polen (3:01,70) zu gewinnen und acht Punkte zu kassieren. Damit hätten Deutschlands Leichtathleten die Franzosen noch von Platz eins der Europacup-Gesamtwertung verdrängt. Aber Schlussläufer Bastian Swillims vom TV Wattenscheid kam nach 3:01,77 Minuten als Zweiter ins Ziel und es stand 116 zu 116 zwischen Frankreich und Deutschland.
Die Zahl der Einzelsiege sollte die Entscheidung bringen – immer noch Gleichstand: vier zu vier. Doch Frankreichs Athleten hatten sechs zweite Plätze erobert, zwei mehr als die Deutschen. Damit verteidigten die Athleten in blau, weiß und rot den Pokal, den sie 2006 in Malaga gewonnen hatten.
Lange Zeit hatte es nach einem souveränen deutschen Sieg ausgesehen. Hochspringer Eike Onnen (LG Hannover/2,30 m), Kugelstoßer Peter Sack (LAZ Leipzig/20,28 m), Stabhochspringer Tim Lobinger (ASV Köln/5,70 m) und Hindernisläufer Filmon Ghirmai (LAV Asics Tübin-gen/838,78) hatten mit ihren Siegen im Verbund mit einem ausgeglichen besetzten Team dafür gesorgt, dass die Deutschen bis kurz vor Schluss in Führung lagen – bis Carsten Schlangen von der LG Nord Berlin im 3000-Meter-Lauf die Kräfte verließen.
Der Berliner taumelte in den letzten Runden mehr, als dass er lief. Er kämpfte sich als Letzter ins Ziel und rettete wenigstens einen Punkt. Der total erschöpfte Läufer wurde von Sanitätern aus dem Stadion getragen. „Als ich ihn auf den letzten Runden gesehen habe, habe ich sofort einen Arzt zum Ziel beordert", erklärte der Leitende DLV-Trainer Jürgen Mallow, „aber in den Katakomben konnte Carsten Schlangen schon wieder stehen. Ich hoffe, dass es keine ernsthafte, medizinische Ursache für diese Schwäche gibt."
Einen Vorwurf machte ihm jedoch niemand aus dem deutschen Team. „Er wird selbst schwer genug daran zu knabbern haben", kommentierte Mallow den rabenschwarzen Tag des Läufers, der den deutschen Männern den Sieg kostete. Zuvor hatte sich allerdings schon Speerwerfer Mark Frank (1. LAV Rostock) mit Platz fünf und 76,10 Metern einen Patzer erlaubt.
Bis dahin hatten die zirka 29.000 Zuschauer, die am Samstag und Sonntag ins Stadion kamen, eine deutsche Männer-Mannschaft erlebt, die sich als Europas erste Kraft präsentierte. Es gab fast keine Ausfälle, die begeistert kämpfenden Athleten rissen die Zuschauer mit. Den Höhepunkt erreichte die Stimmung beim abschließenden 4X4OO-Meter-Lauf, als Ingo Schultz (TSV Bayer Leverkusen), Kamghe Gaba (LG Eintracht Frankfurt), Matthias Bos (TV Gladbeck) und Bastian Swillims alles gaben, um das Ergebnis noch einmal zu drehen. „So schön kann Leichtathletik sein, so spannend und so dramatisch", schwärmte Jürgen Mallow.
Glanzlicht von Obergföll
Auch die Frauen hatten als Gesamtdritte hinter den unschlagbaren Russinnen und Frankreich keineswegs enttäuscht – zumal der Speerwurf-Europarekord (70,20 m) von Christina Obergföll (LG Offenburg) das ganze Wochenende überstrahlte und Fran-ka Dietzsch vom SC Neunbranden-
burg mit 63,60 Metern der erwartete Diskussieg gelang. „Wir werden heute Abend feiern", kündigte Mallow an. Allerdings waren bei den Frauen mehr Athletinnen deutlich entfernt vom europäischen Niveau. Vor allem in den Lauf disziplinen wurden Schwächen offenbar. Nur Sabrina Mocken-haupt überzeugte als Zweite über 5000 Meter in 15:23,96 Minuten.
Mit 12.000 Zuschauern am Samstag und 17.000 am Sonntag waren die Münchner Europacup-Macher um Olympiapark-Chef Wilfrid Spronk und DLV-Präsident Clemens Prokop nicht wirklich zufrieden: „Wir haben mit mehr Zuschauern gerechnet, aber die Stimmung war fantastisch", räumte Spronk ein. „Der Funke springt eben eher über, wenn deutsche Athleten im Nationaltrikot antreten", erteilte der Geschäftsführer der Olympiapark-GmbH Meetingplänen für das Olympiastadion eine Absage. Er wünscht sich vielmehr, dass der Europacup, der bald als Team-Europameisterschaft, ausgetragen wird, im Münchner Olympiastadion zur ständigen Einrichtung wird. Das dürfte dem europäische Leichtathletik-Verband zu weit gehen.
Vor allem Hauptsponsor Spar, der in Deutschland keine Supermärkte mehr betreibt, pocht auf einen Europacup als Wanderzirkus über den Kontinent. Und der wird im nächsten Jahr auf jeden Fall im französischen Annecy Station machen.