Eine Norm, die keine ist

Norm - Illustration Norman PalmÜber Normen wurde und wird im deutschen Leichtathletiklager gern diskutiert. Auch ich habe in dieser Saison bereits einige leidvolle Erfahrungen hinter mir und mich dazu auch gern laut beklagt. Im Nachhinein muss ich dem "ADH-Nominierungsroulette" allerdings auch einige positive Aspekte abgewinnen – nicht dem Prozess allgemein, sondern eher seinen Folgen.

Nach der Nicht-Nominierung zur Weltmeisterschaft der Studenten in Thailand war ich im Training um so agressiver und motivierter. Ich habe in den Wochen vor der DLV-Gala in Wattenscheid in fast jeder Trainingseinheit gespürt, dass meine Jahresbestleistung aus Cottbus noch nicht das gewesen sein kann, was ich zu leisten vermag. Es ist irgendwie merkwürdig, aber Misserfolge scheinen mich mehr zu motivieren, als Erfolge. Vielleicht war es aber auch der viel beschworene "Norm-Leistungsdruck", der von mir abgefallen war und mich bis dahin daran hinderte, eben diese Norm zu erfüllen. 

In dem Lauf in Wattenscheid hat einfach alles gestimmt. Es war recht warm und windstill. Die zwei Tempomacher haben ihre Tempoarbeit gut gemacht und sind vor allem endlich einmal bis 1200m durchgelaufen. Auf den Sportfesten der Sommersaison hatten die Tempomacher in der Regel nach 1000m keine Lust oder keinen (finanziellen) Anreiz weiter zu laufen. Die Endzeit der beiden Führenden Estevez und Biwott wurden auf keinem Sportfest der Saison in Deutschland zuvor gelaufen.

Nach meinem Lauf traf ich auf der Zuschauertribühne kurz den leitenden Bundestrainer Jürgen Mallow. Im nächsten Jahr solle ich mich auf einige wenige Läufe konzentrieren und nicht so viel Kraft vergeuden, wie noch bei meinem Lauf in Kassel, wo ich viel zu schnell anlief. Im nächsten Jahr müsste alles etwas integrativer geplant sein. Das waren tröstende Wort von einem Trainer, der sich noch vor zwei Wochen vor die Presse gestellt hatte um darzulegen, dass es auf der Deutschen Mittelstrecke null Niveau gäbe und auch keine Talente. Nun gab es plötzlich einen WM-Normerfüller und diverse andere Läufer, die auch deutlich unter 3:40min blieben – wie passt das ins Bild?

Vermutlich muss neben der Verbesserung der Trainingsmethoden auf der Deutschen Mittelstrecke auch über andere Konzepte nachgedacht werden. Wenn Meeting-Organisatoren in Deutschland nicht in der Lage sind, Tempomacher zu besorgen, die auch wirklich das bieten, wofür sie bezahlt werden, dann muß der DLV hier Unterstützungsleistung anbieten. Wie kann es sein, dass bei einem Sportfest, dass der DLV selbst organisiert – also das Feld selbst zusammenstellt und auch die Tempomacher bestellt und bezahlt, auf einmal sehr schnelle Zeiten gerannt werden? Zu einer "integrativen Planung" für Peking 2008 gehört für mich dazu, dass der DLV sich selbst um gute Tempomacher für die Meetings in Deutschland bemüht, die im Portemonnaie den Unterschied zwischen 1000m und 1200m Tempoarbeit spüren. Darüber hinaus sollte es für Athleten, die bei Sportfesten in Deutschland sehr gute Zeiten laufen, die Möglichkeit geben, auch international Startplätze zu bekommen – unabhängig davon, ob sie mit Athletenmanagern zusammenarbeiten, oder nicht.

Mit der Zeit aus Wattenscheid werde ich im nächsten Jahr vermutlich nicht mehr so viel Probleme haben, konkrete Startzusagen für internationale Meetings zu bekommen – das ist die gute Nachricht vom Wochenende. Die Schlechte ist natürlich, dass der Zeitraum der Normerfüllung bereits abgelaufen war. Aber es geht mir auch um die Läufer, die in diesem Jahr ähnlich gute Zeiten gerannt sind, wie ich. Wenn auch sie die Möglichkeit bekommen, international hier und da einen Startplatz zu ergattern, wird auch das Niveau der Läufe in Deutschland automatisch steigen…und vielleicht wird der ein oder andere auch mal sehr mutig werden.  

   


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