Im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ ist Schauspieler Bill Murray in einer Endlosschleife festgehalten. Jeden Tag sieht er sich mit den immer wieder gleichen Herausforderungen konfrontiert. Für Mittelstreckler Carsten Schlangen heißt die Endlosschleife „und jährlich grüßt die Normjagd“. Der Vize-Europameister über 1.500 Meter kämpft um seine WM-Teilnahme in Südkorea, daneben meistert der Berliner seinen Einstieg in das Berufsleben.
Deutscher Mittelstreckler zu sein, ist kein leichtes Los. In den letzten zehn Jahren haben nur wenige DLV-Athleten die geforderten Normen für internationale Großereignisse erfüllen können. Am Ende erfolgreich, war in der jüngsten Vergangenheit jedoch immer Carsten Schlangen. Letztes Jahr gelang dem gebürtigen Emsländer der Sprung auf den EM-Zug Ende Juni im französischen Metz. Und Frankreich soll auch in diesem Jahr wieder das Sprungbrett sein, diesmal für die WM in Daegu. Davor stehen für den 30-Jährigen jedoch Monate, die ganz der Zeitenhatz untergeordnet sind. „Es ist nicht ganz einfach die Norm zu jagen“, sagt Carsten Schlangen, der einräumt, dass die „Normen happig sind“, diese jedoch nicht in Frage stellt. „Mit den Normen ist ein Leistungsanspruch verbunden, wenn man diesen dann erfüllt, hat man auch Chancen bei Großmeisterschaften“, wie er mit Blick auf seinen EM-Erfolg im letzten Jahr betont.
Einstieg als Freelancer
Erfolgreich gemeistert hat Carsten Schlangen den Einstieg in das Berufsleben. Nach dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums arbeitet er als freier Mitarbeiter für das Architekturbüro Granz+Zecher, bei dem auch schon Hochspringerin Meike Kröger (LG Nord Berlin) ein Praktikum absolviert hatte. „Als Freelancer habe ich mehr Freiheiten meine Zeit einzuteilen“, erzählt Carsten Schlangen, der durchschnittlich vier bis fünf Stunden am Tag im Büro verbringt, eingerahmt von einer leichten Trainingseinheit am Vormittag und einer größeren am Nachmittag. Daneben gibt es natürlich Tage, an denen er länger arbeitet, dafür wiederum andere, an denen er sich ganz seinem Sport widmet. „Es macht echt richtig Spaß. In der Nachsaison wird die Arbeit in meinem Beruf dann intensiviert“, erzählt der junge Architekt, der während seines Studiums auch schon mal Diskus-Weltmeister Robert Harting (SCC Berlin) bei dessen Umbau eine Zeitlang beraten hat.
Verantwortung im Verein
In der Laufgruppe seines Vereins LG Nord Berlin trägt Carsten Schlangen inzwischen viel Verantwortung. Nachdem zahlreiche Leistungsträger ihre aktive Laufbahn beendet haben, ist er der erfolgreichste und erfahrenste Athlet des Teams, das bereits unter dem Namen „Hauptstadtläufer“ für Schlagzeilen sorgte und erfolgreich Titel sammelte. Mit Moritz Höft, Jonas Stifel, Franek Haschke und Co. waren die Berliner bei Meisterschaften über allen Mittel- und Langdistanzen gefürchtet. In einem eigenen Blog berichteten sie regelmäßig über ihre Aktivitäten auf und außerhalb der Laufbahn. Momentan fehlt aber etwas die Zeit dafür – auch für den derzeit erfolgreichsten deutschen Mittelstreckler.
Berlin ist für den gebürtigen Emsländer Carsten Schlangen nach zehn Jahren zu einer zweiten Heimat geworden. Privat hat er sein Glück bei der Heim-WM gefunden. Seine Freundin hat damals für die Konrad-Adenauer-Stiftung an einem Blog zur Weltmeisterschaft mitgearbeitet. Bei gemeinsamen Radtouren durch Berlin oder gemütlichen Abenden in einem Restaurant, wie zum Beispiel zum Auftakt der Frauen-Fußball-WM, versucht Carsten Schlangen auszuspannen.
Kleine Missgeschicke
3:35,00 Minuten gilt es dann für einen Augenblick zu vergessen, das ist die A-Norm, die Carsten Schlangen laufen muss, um den Sprung nach Südkorea sicher zu meistern. Eine Zeit, die er auf jeden Fall laufen kann, wie er in der Vergangenheit schon bewiesen hat. Aber neben dem Können ist das auch immer „Glückssache“, wie er einräumt. Neben der guten Tagesform muss der Lauf natürlich passen. Bei seinen bisherigen Versuchen war das noch nicht der Fall. Auch „kleine Missgeschicke“ sind da natürlich hinderlich. Bei seinem Saisoneinstieg im niederländischen Hengelo hatte er sich im Vorfeld den Fuß umgeknickt. „Kein ganz großes Problem“, wie er betont, aber natürlich störend für einen wichtigen Lauf. Am Ende blieb für ihn die Uhr bei 3:41,53 Minuten stehen. Zu langsam war das Rennen in Dessau, in der marokkanischen Hauptstadt Rabat konnte er 3:36,14 Minuten verbuchen, seine bisherige Saisonbestleistung und die erstmalige Erfüllung der zweimal geforderten B-Norm, die ihm auch das Tor öffnen könnte. Nun soll es wie im letzten Jahr in Frankreich klappen. Dort konnte er nach einem unglücklichen Rennverlauf bei der DAK Leichtathletik-Gala in Bochum-Wattenscheid in Metz als Sieger in 3:36,67 Minuten die EM-Norm von 3:37:00 Minuten erfüllen. Diesmal soll die jährliche Normjagd beim Diamond League-Meeting in der französischen Hauptstadt Paris an diesem Freitag eine Ende finden. Hoffentlich ein ähnlich erfolgreiches wie für Bill Murray. Der findet im Film, wie es sich für Hollywood gehört, am Ende sein großes Glück.