Carsten Schlangen erwies sich zuletzt als fleißiger Titelsammler. Dem Hallen-DM-Sieg über 3.000 Meter folgte am Wochenende in Stockach der Cross-Titel auf der Mittelstrecke. Wie der Berliner, den im letzten Jahr noch Rücktrittsgedanken beschäftigten, bilanziert und nun in die Zukunft blickt, erfahren Sie im Interview.
Carsten Schlangen, Glückwunsch zum Mittelstrecken-Titel bei der Cross-DM in Stockach. Was haben Sie sich denn gedacht, als Sie am Samstagmorgen aus dem Fenster geschaut und das Schneetreiben gesehen haben?
Ich habe mich schon ein wenig gewundert, dass es auf einmal so heftig angefangen hat zu schneien. Wir hatten zwar den Wetterbericht gesehen, am Freitagabend war aber noch total sternenklarer Himmel, dann haben wir aber Fernsehbilder aus Schleswig-Holstein gesehen und dort waren 15 Zentimeter Schnee. Da haben wir schon gedacht: ‚Wenn das rüber zieht, dann kann es spannend werden.’ Jetzt waren auch drei, vier Zentimeter Schnee auf der Fläche (Strecke) und es hat auch immer mal wieder heftig geschneit. Der Winter ist noch einmal kurz zurückgekehrt.
Wolfram Müller, den Sie in Stockach geschlagen haben, hat die Spikenägel als mit ausschlaggebend für den Ausgang des Rennens bewertet. Wie kam es denn zu der Entscheidung, dass Sie längere Nägel gewählt haben als üblich?
Mein Teamkamerad Jonas Stifel, der jetzt Lehrer geworden ist und nicht mehr ganz so viel läuft, hat mir einen Tipp verraten. Er ist ja auch zweimal Crossmeister geworden. Diese Spikenägel sind einfach irre lang. Das sind keine normalen, sondern Nägel, die man auch zum Speerwerfen benutzt, damit man einen guten Stand hat. In den Kurven hatte ich jetzt einen Vorteil. Ich habe auch immer gemerkt, dass ich wieder gut an die Leute rankommen konnte. Ich freue mich jetzt einfach, dass mir Jonas diese Nägel zur Verfügung gestellt hat.
Wolfram Müller hatte am Ende des Rennens noch einmal alles versucht. Wann waren Sie sich denn sicher, dass es für den Sieg reicht?
Ich hatte die Brücke überquert, von dort ging es noch einmal in eine kleine Kurve und dann auf die Zielgerade. Dort haben die Leute gesagt: ‚Zehn Meter’. Hundert Meter weiter haben sie gesagt: ‚Dreißig Meter’. Irgendwas dazwischen war’s wahrscheinlich. Dann habe ich mir gedacht, jetzt gibst Du alles und dann kann er eigentlich nicht mehr rankommen. Aber ich war mir nie richtig sicher. Wolfram ist ein superstarker Crossläufer. Dieses Jahr hat mir aber vielleicht der Skilanglauf den Vorteil, ein bisschen mehr Kraft im Oberkörper, gebracht. Das war gar nicht schlecht.
War es vielleicht auch ein Tick Vorteil, dass Sie so mehr an den Winter gewohnt waren, auch wenn es insgesamt für alle Athleten ein kalter Winter war?
Wir haben keinen Crosslauf in dem Sinn trainieren können. Wir haben es nicht geschafft, an unseren kleinen Hügelberg zu gehen, weil es dort total vereist war. Deswegen habe ich als Schnee lag immer versucht, mich im Volkspark Friedrichshain, dort sind zwei Trümmerberge aufgehäuft, im Skilanglauf, im klassischen und später auch im Skatingstil, hochzupeitschen. Das war vielleicht gar nicht so schlecht.
Haben Sie denn Ambitionen, die Bretter auch einmal in einem richtigen Wettkampf anzuschnallen?
Ehrlich gesagt schon. Ich werde das auch einmal machen. Einem anderen Teamkollegen von mir habe ich das auch schon einmal vorgeschlagen: ‚Lass uns mal ein 15- oder 20-Kilometer-Rennen machen.’ Wir müssen aber zunächst einmal jemanden bekommen, der unser Material, mit dem wir beim Crosslauf ein wenig vorangeschritten sind, auch auf Skiern optimal vorbereitet. Mal gucken…
Die Hallen-DM war für Sie erfolgreich, jetzt auch die Cross-DM. So kann es weitergehen, oder?
Wobei ich schon überrascht war, dass es jetzt wieder so gut läuft. Mit dem Skilanglauf habe ich nur vierzig oder fünfzig Wochenkilometer laufend gemacht. Wegen einer langwierigen Schienbeinverletzung hatte ich auch eine sehr lange Pause. Da ist es nicht normal, so wieder in den Wettkampf einzusteigen. Wir hatten auch gesagt, dass ich keine Hallensaison und keinen Cross mache, auch weil ich gerade meine Diplomarbeit angefangen hatte. Das nimmt auch sehr viel Zeit in Anspruch. Aber es läuft jetzt gut und ich würde mich freuen, wenn es so weitergehen und sich vielleicht auch international ein bisschen mehr Erfolg einstellen würde.
Damit richten Sie den Blick schon zur Europameisterschaft im Sommer. Haben Sie für Barcelona schon ein klares Ziel vor Augen?
Den Endlauf möchte ich auf jeden Fall erreichen. Ich glaube, das ist mit den Leistungen, die ich letztes und vorletztes Jahr gezeigt habe, möglich. Dann muss man sehen, denn die 1.500 Meter sind immer eine taktische Geschichte. Mittlerweile habe ich aber vielleicht auch in dem Bereich dazugelernt. Wenn ich gut weitertrainieren kann, ist etwas möglich.
Im letzten Jahr haben Sie auch schon leise Töne in Richtung Karriereende anklingen lassen. Wie ist momentan Ihre Betrachtungsweise dazu?
Ehrlich gesagt denke ich im Moment nicht daran. Mir macht es wieder unglaublich viel Spaß. Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass ich bis zu den Olympischen Spielen 2012 weitermachen werde. Klar muss ich das von Jahr zu Jahr sehen. Im Moment arbeite ich noch an meiner Diplomarbeit. Von daher ist es in diesem Jahr überhaupt kein Thema. Ab dem nächsten Jahr muss man dann schauen, vielleicht auch einen ganz lockeren Jobeinstieg machen und nicht volltags arbeiten. Das muss sich aber alles noch ergeben.
Das bedeutet, Sie sind mit den Rahmenbedingungen, wie sie jetzt in Berlin sind oder wieder sind, zufrieden?
Mein Trainer hatte anklingen lassen, dass er so langsam jetzt vielleicht keine Lust mehr hat. Man hat sich dann aber wieder zusammengerauft, so dass wir gesagt haben: ‚Wir machen weiter.’ Es ist zwar jetzt nicht mehr die ganz große Hauptstadtläufer-Trainingsgruppe, aber wir formieren uns ein bisschen neu. Es sind ein paar Leute dazugekommen. Es ist immer ein schönes Training, es macht Spaß. Es sind nicht nur zwei, drei Leute da, sondern deutlich über fünf. So entwickelt sich ein kleiner Mikrokosmos, in dem man sich einfach wohlfühlt. Wir haben mit Sebastian Dennis auch einen neuen, hoffnungsvollen Läufer. Er ist ganz gut unterwegs, hat gute Gene. So hoffen wir, dass es auch innerhalb der Gruppe einen spannenden Wettkampf gibt.
Wie sehen Sie dabei Ihre eigene Rolle in der Gruppe? Sind Sie der Leader?
Es hat sich schon ein bisschen geändert. Nachdem vorher Franek (Haschke) und Jonas als die Alten zusammen mit mir die Gruppe ein bisschen bestimmt hatten, hat es sich nun ein bisschen auf mich zugespitzt. Das muss ich zugeben. Aber mir gefällt das ganz gut. Es macht auch Spaß, wenn man ein paar Tipps geben kann. Aber wie man sieht, bekomme ich auch nach wie vor ein paar Tipps von den Arrivierten. Sie kommen immer wieder mal zum Training und haben auch Spaß daran, mit uns zum Beispiel Basketball zu spielen. So ist es einfach eine schöne Geschichte.