Erst seit zwei Jahren betreibt der 25-jährige Berliner Architekturstudent Leistungssport. Jetzt geht er bei der EM in Göteborg über 1500 m an den Start
Manchmal kann Carsten Schlangen selbst nicht so richtig glauben, was alles passiert ist. "Wenn mir vor zwei Jahren jemand gesagt hätte, dass ich bei der Europameisterschaft in Göteborg starten würde, hätte ich den nur ausgelacht." Doch es ist kein Scherz, dass der 25-Jährige von der LG Nord Berlin bei der Leichtathletik-EM in Schweden (7. bis 13. August) über 1500 m an den Start gehen wird. Schlangen ist einer von insgesamt fünf Berliner Athleten, die bei der Europameisterschaft dabei sind.
Wenn der schlanke, blonde Läufer die Zeit von Frühjahr 2004 bis jetzt Revue passieren lässt, kommt er sich vor wie in einem "Traum, den ich vor zwei Jahren angefangen habe zu träumen – und aus dem ich noch nicht richtig erwacht bin".
Als der Traum des Architekturstudenten begann, hatte er gerade zwei Auslandssemester in Helsinki hinter sich gebracht und genoss mit seinen Eltern noch einen Urlaub in Skandinavien. "Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken", erinnert er sich. Und es ging ihm der Gedanke nicht aus dem Kopf, ob er sein Hobby Laufen nicht intensivieren sollte. "Ich fragte mich: Wie weit könnte ich da kommen? Und ich dachte, wenn ich jetzt den Punkt verpasse, es zu versuchen, bin ich mir ewig was schuldig."
Bis er 2001 nach Berlin zum Studium an die TU kam, hatte er als Jugendlicher und Junior beim SV Union Meppen trainiert. "Niedersachsen-Meisterschaften waren zumeist das höchste, einmal war ich bei einer Deutschen Meisterschaft, habe aber das Finale nicht erreicht." Er blieb nach dem Umzug in die Hauptstadt ein Hobby-Läufer, der sich telefonisch vom Meppener Trainer Gerhard Janning beraten ließ.
Am Ende des besagten Urlaubs fragte er seine Eltern, die ihm das Studium finanzieren, was sie denn davon halten würden, "wenn ich mal ein Jahr etwas weniger studiere". Laufen sollte nach dem abgeschlossenen Grundstudium Priorität haben. Sie waren einverstanden, rieten aber zur Vorsicht, wie Eltern halt so sind. Der Filius startete mit 23 Jahren im Leistungssport durch. Der Spätberufene schloss sich der Läufergruppe der LG Nord an, wo sich unter Trainer Roland Wolff die deutschen Spitzenläufer Franek Haschke, Jonas Stifel und eben Schlangen täglich gegenseitig hochpuschen.
Um 15 Sekunden hat Carsten Schlangen gegenüber 2004 seine Bestzeit über 1500 m verbessert, die jetzt bei 3:38,04 Minuten steht. 2005 wurde er über seine Spezialstrecke Zweiter bei der Deutschen Meisterschaft, in diesem Jahr sogar Meister. Er weiß, "dass die Verbesserungen, wenn überhaupt, jetzt immer kleiner werden". Das Studium steht etwas zurück, auch wenn er erst vor einigen Tagen wieder eine Prüfung abgelegt hat. "Es geht nicht, auf allen Feldern gleichzeitig voll konkurrenzfähig zu sein."
Jetzt freut er sich auf die EM, er will wie immer mutig im vorderen Feld laufen, um nicht den Anschluss zu verpassen, wenn die Post abgeht. "Nur dann habe ich eine Chance, ins Finale zu kommen." Er weiß um seine taktischen Defizite. "Da fehlt mir einfach die Routine." Aber im selben Atemzug sagt er auch: "Ich bin ja schließlich als Athlet noch sehr jung."