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Gefangen in der Happy-Hour

25 April 2009

Wie Carsten Schlangen, der beste 1500-Meter-Läufer Deutschlands, sein Leben im Doping-Kontrollsystem lebt

Carsten Schlangen bei den Olympischen Spielen in PekingBERLIN. Es ist 9.10 Uhr an einem ganz gewöhnlichen Tag im Leben von Carsten Schlangen. Er räumt die Spülmaschine aus. Dann deckt er den Frühstückstisch, Nutella, Honig, eine Packung Schnittkäse-Allerlei, und nimmt den Kampf mit der nicht aufschäumen wollenden Milch auf. Ein Hilfsangebot des Reporters lehnt er entschieden ab, entschuldigt sich stattdessen dafür, dass ihm der gute italienische Espresso ausgegangen sei. Zum Glück findet sich im Küchenschrank noch eine Ersatzpackung mit dem billigen Kaffee aus dem Supermarkt. „Den hatte ich eigentlich für den Dopingkontrolleur im Haus", sagt Schlangen.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Der Berliner Leichtathlet Carsten Schlangen, 28, hat prinzipiell nichts gegen Dopingkontrolleure einzuwenden. Sie seien natürlich notwendig und meistens sogar sehr nett, sagt er. Schlangen sieht sich aber nicht nur als 1500-Meter-Dauerläu-fer, als Spitzensporler und Kaderathlet. Er sieht sich auch als Mensch, dem eine gewisse Privatsphäre zusteht. Irgendwo in dem schwer begehbaren Gestrüpp zwischen der Mitarbeit an einem funktionierenden Kontrollsystem und dem Wunsch nach individueller Freiheit, da lebt Carsten Schlangen. Da hatte er sich eigentlich eingerichtet. Erst in diesem Jahr, mit dem neuen Code der Welt-Antidoping-Agentur Wada, ist das Ganze aus seiner Sicht gekippt. Der organisatorische Aufwand für den einzelnen Sportler stehe seither in keinem Verhältnis mehr zur Effizienz des Antidoping-Kampfes, findet er.

Der Duft des Fliederbaumes

Stein des Anstoßes ist die so genannte Ein-Stunden-Regel. Bislang mussten Spitzensportler vierteljährlich im Voraus angeben, an welchem Ort sie sich an welchem Tag aufhalten. Diese Regelung ist nun verschärft worden, weil die Athleten darüber hinaus täglich eine Stunde angeben müssen, zur der sie definitiv an einem von ihnen festgelegten Ort anzutreffen sind -eine Art Happy-Hour für Kontrolleure. „Die ursprüngliche Idee klingt ja nicht so schlecht", sagt Schlangen. „Aber wenn man selbst davon betroffen ist, kommt man sich wie ein Gefangener vor."

Schlangen bestreicht sein Crois-sant mit dicken Schichten aus Butter und Nutella. Hinter ihm in der Küche lagern diverse Weinflaschen, es sind Mitbringsel von den zurückliegenden Trainingslagern im Ausland. „Im Prinzip ist Sport ja mein Hobby", sagt er. Es ist ein Hobby, mit dem er Geld verdient. Aber auch ein Hobby, das ihm sehr viel abverlangt. Draußen scheint die Sonne, vom Fliederbaum vor dem Küchenfenster weht der Frühling in die Drei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Mitte. Schlangens Bruder und Mitbewohner Dirk grüßt kurz und lässt die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Carsten muss zu Hause bleiben. So hat er es eingetragen im Anti-Doping-Terminkalender.

10.20 Uhr, Carsten Schlangen sitzt in seinem WG-Zimmer am Rechner. Auf dem Nachttisch liegt der Roman „Verschwende deine Jugend" von Jürgen Teipel. Schlangen hat seine Jugend nicht verschwendet, ganz bestimmt nicht. Er hat sich ja erst sehr spät, mit 23 Jahren, in das Kadersystem der Leichtathletik integriert. Schlangen ist ein Landei aus Meppen, wie er sagt. Vor einigen Jahren kam er nach Berlin. Nicht wegen des Sports, wegen des Architektur-Studiums an der TU. Er machte ein Auslandssemester in Helsinki und stellte dort fest, dass Dauerlaufen doch einfacher ist als Finnisch lernen. Im Sport war er schon als Schüler ganz gut gewesen („fast immer eine Ehrenurkunde"), und deshalb wollte er einmal sehen, wie weit er kommt, wenn er ein Jahr lang ernsthaft trainiert. 2004 war das. 2008 nahm er an den Olympischen Spielen teil.

Als einziger Deutscher erreichte Schlangen das Halbfinale über 1500 Meter. Er ist einer jener Sportler, die nicht so berühmt sind, dass andere den Alltag für sie regeln. Er ist aber einer jener Sportler, die so gut sind, dass sie über ihren Alltag nicht mehr frei verfügen dürfen. Schlangen gehört zu den besten Fünfzig seiner Disziplin weltweit. Damit führen ihn die Antidoping-Behörden als Athlet der Risikogruppe Eins. Er soll jeden Tag einen lückenlosen Stundenplan erstellen, der seine Aufenthaltsorte dokumentiert. Die Wada hat zu diesem Zweck das Online-Abmeldesystem Adams installiert. Dort gibt es je eine Eingabemaske für den Monats- und den Tagesplan. Von Wada-Seite heißt es, eine Stunde genüge, um die Planung für ein Vierteljahr online zu stellen. Carsten Schlangen behauptet, dass ihn das mindestens zwei Stunden wöchentlich koste, weil das Adams-System nicht richtig funktioniere.

An diesem Tag will Schlangen kurzfristig seinen Kalender ändern, weil er einen Friseurtermin hat. Er muss den ganzen Tag von Neuem eingeben, so will es das Computerprogramm. Von 11 bis 12 Uhr trägt Schlangen „Training im Volkspark Friedrichshain" ein. Das System fragt ihn nach einer Telefonnummer. Er lässt das Feld auf Kosten einer Fehlermeldung frei. Seine Mobilnummer darf er nicht angeben, weil es den Dopingkontrolleuren prinzipiell untersagt ist, auf seinem Handy anzurufen. Dopingkontrollen müssen unangemeldet sein.

Schlangen ist die rot leuchtende Fehlerwarnung schon gewohnt. Er klickt sich weiter zum nächsten Termin. 15.30 bis 16 Uhr: Friseursalon Rungenhagen. Wieder bekommt Schlangen eine Fehlermeldung, die Aufenthaltszeit muss mindestens eine Stunde betragen. Obwohl er nur die Spitzen schneiden lassen will, gibt er der Software nach. Von halb sechs bis halb neun trägt er „Training" ein. Danach, bis Mitternacht: „Aufenthalt Wohnort".

Jetzt muss Schlangen nur noch jene Stunde festlegen, zu der er unter allen Umständen erreichbar ist. „13.30 bis 14.30 zu Hause", sagt er über seine Schulter hinweg, „dann koche ich uns ein paar Nudeln, und wir warten auf die Kontrolle." Der Reporter hat nichts einzuwenden. Schlangen drückt auf „absenden". Nach zwei weiteren Fehlermeldungen und einem Anruf beim Techniker der Antidoping-Agentur ist das Online-Formular erfolgreich übermittelt. Über 30 Minuten hat das Ganze gedauert, inzwischen ist es kurz vor elf. Schlangen sagt: „Jetzt muss ich erst einmal joggen gehen. Sonst verpasse ich meinen Termin im Volkspark."

Carsten Schlangen hat die Wada mehrfach auf die Macken des Kontrollprogramms hingewiesen (erstmals im Dezember 2008), er hat gebeten, kooperationswilligen Sportlern das Leben ein wenig zu erleichtern. Eine vernünftige Antwort hat er bis heute nicht erhalten. „Wenn man sich beschwert, versuchen die einem zu vermitteln, man sei ein komplizierter Einzelfall", sagt er.

Beschwert haben sich auch schon andere: die Basketballer, Michael Ballack, die EU-Kommission. Seit die großen Teamsportverbände, allen voran die übermächtige Fifa, der Wada einen zweiwöchigen Urlaub vom Kontrollsystem abringen konnten, fühlen sich Einzelsportler erst recht unfair behandelt. „Das ist eine Zweiklassengesellschaft", sagt Schlangen, während er in seine Raukeverzierte Edelbou-lette beißt. Es ist 13.45 Uhr. Eigentlich müsste er jetzt zu Hause sein. Ist er aber nicht.

Weil um 13.30 Uhr plötzlich die Putzfrau in der Tür stand, haben Schlangen und der Reporter beschlossen, ihr Mittagessen in ein kleines Bistro in der Nachbarschaft zu verlegen. Schlangen hat vorschriftsmäßig
eine SMS mit der neuen Adresse seines Aufentha
ltsortes verschickt. Es ist eine englische Nummer. Das Adams-Team der Wada sitzt in London.

Nach 25 Minuten ist der Imbiss zu Ende. Eine allzumenschliche Idee wäre es jetzt, sich um die Ecke ein Eis zu kaufen und einen kleinen Spaziergang in der Sonne zu machen. Schlangen aber sagt: „Jetzt habe ich die SMS verschickt. Jetzt muss ich auch eine Stunde hier ausharren."

Ein Dopingkontrolleur ist bei Carsten Schlangen im Übrigen noch nie vorbeigekommen, seit es die Ein-Stunden-Regel gibt.

Zum Artikel im Originalformat (PDF)

Was bringen die neuen Anti-Doping-Regeln?

19 Februar 2009

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur getroffen, um über die Finanzierung und die neuen Regularien im Kampf gegen Doping zu sprechen. Wie wirksam sind neuen Regeln?

Wenn Speerwerferin Christina Obergföll ein Wochenende wegfahren möchte, ganz privat und ungestört, muss sie sich trotzdem auf Gäste gefasst machen – Dopingkontrolleure zum Beispiel. Seit Januar müssen Sportler für jeden Tag im Jahr eine Stunde angeben, in der sie garantiert erreichbar sind. "Das greift ganz schön in die Privatsphäre ein", sagt Obergföll, die bei den Olympischen Spielen in Peking die Bronzemedaille gewonnen hatte. Wenn der Kontrolleur sie einmal nicht antreffen sollte, erhält sie eine Verwarnung. Beim dritten Mal wird sie gesperrt. Spontaneität können sich Leistungssportler jetzt nur noch selten leisten. "Innerhalb dieser Stunde kann ich noch nicht mal zum Kiosk gehen und mir eine Zeitung kaufen", sagt der Mittelstreckenläufer Carsten Schlangen.

Mit der neuen Regelung will die Welt- Anti-Doping-Agentur im Kampf gegen die Betrüger wieder ein bisschen aufholen. Die Zahl der Dopingkontrollen im Training und Wettkampf nimmt zwar immer weiter zu, dennoch nähren viele Weltrekorde, etwa bei Olympia in Peking, Zweifel an der Wirksamkeit des Testsystems. Zudem trafen allein in Deutschland die Kontrolleure die Sportler hunderte Male nicht an. Nun also der nächste Schritt. "Wenn es hilft, bin ich gerne bereit, mitzumachen", sagt Obergföll.

Kritiker sehen einen Eingriff in die Privatsphäre

Das sehen nicht alle Athleten so. In Belgien haben mehrere Sportler eine Klage eingereicht. Sie wollen notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Auch der Welt-Fußballverband wehrt sich, den Vorsitzenden der Medizinischen Kommission Michel D'Hooge erinnern die neuen Regeln sogar an die Inquisition. Dabei gilt die Ein-Stunden-Regel gar nicht für Fußballspieler. In Deutschland sind zunächst nur 500 Sportler betroffen, die meisten kommen aus den besonders dopinganfälligen Disziplinen Radfahren, Leichtathletik oder Schwimmen. Wäre es nach den deutschen Dopingbekämpfern gegangen, wäre die neue Regel allerdings auch gar nicht erst eingeführt worden. Die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada), die Sportverbände und das Bundesinnenministerium hatten sich dagegen ausgesprochen. "Die Verhältnismäßigkeit ist für uns einfach nicht gegeben", sagt Nada-Sprecherin Ulrike Spitz.

Der Eingriff in die Privatsphäre ist ein Kritikpunkt. Ein anderer lautet: Die Ein-Stunden-Regel mache das Kontrollsystem nicht schlagkräftiger. Schließlich wissen die Sportler jetzt, wann der Kontrolleur zu ihnen kommt und können sich darauf vorbereiten. Im Dopinggeschäft kursieren verschiedene Methoden, um den Test zu manipulieren. Von einem besonderen Shake war schon die Rede, den die Sportler vorher trinken müssen. Außerdem sind einige Substanzen wie bestimmte Anabolika ohnehin nur wenige Stunden im Körper nachweisbar. Am Abend vorher gespritzt oder geschluckt, ist das Anabolikum am nächsten Morgen immer noch wirksam, aber nicht mehr in der Urinprobe zu finden.

Athleten mit dem besten Gewissen

Die Welt-Anti-Doping-Agentur entgegnet dieser Kritik, dass die Sportler auch außerhalb der angegebenen Stunde getestet werden können. Doch werden sich die Kontrolleure sicher lieber auf den vereinbarten Termin einlassen, als den Sportler nicht anzutreffen.

Viele Athleten klagen auch darüber, dass das Meldesystem im Internet nicht einwandfrei funktioniere. Doch das scheint noch das geringste Problem zu sein. Die deutschen Sportler sorgen sich, ob die Ein-Stunden- Regel in anderen Ländern überhaupt umgesetzt wird. "Wir Deutschen machen wieder alles zu 120 Prozent, aber wie es in anderen Ländern aussieht, weiß man nicht", sagt Christina Obergföll. Jamaika beispielsweise, Heimat des Sprint-Weltrekordhalters Usain Bolt, hat noch nicht einmal eine nationale Anti-Doping-Agentur. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßt daher die neuen Maßnahmen der Welt- Anti-Doping-Agentur. "Solche weltweiten Regeln sind dringend erforderlich, um eine einheitliche internationale Kontrolle einzuführen", erklärte sie in einer Videobotschaft.

Am Mittwoch empfing die Bundeskanzlerin den Vorstand der Nada. Es ging um Geld für Dopingkontrollen, aber auch um die neuen Regeln, und um die Weltmeisterschaften der Leichtathletik im August in Berlin. Die besten Athleten werden die deutschen Gastgeber da sicher nicht haben. Aber sie hätten gerne die mit dem besten Gewissen.

Zum Bericht auf Tagesspiegel.de  

EU-Kommissar will Wada bremsen

19 Februar 2009

Lausanne ist nicht gerade eine Hochburg der Narren. Weshalb John Fahey und David Howman am Faschingsdienstag im Olympischen Museum auch nicht in die Bütt gehen werden, wenn sie ans Rednerpult treten. Aber so manche Passage in den Ausführungen des Präsidenten und des Generaldirektors der Welt-Antidopingagentur (Wada) zum neuen Wada-Code beim diesjährigen Mediensymposium werden das Potenzial eines "Witzes" haben – wie Mittelstreckenläufer Carsten Schlangen aus Berlin die Zumutungen des offiziell weltweit geltenden Regelwerks im Kampf gegen Doping nennt.

Schlangen, der sich für intensive Trainingskontrollen ausspricht, steht mit seiner ambivalenten Haltung zum neuen Code nicht allein. Weltweit und sportartenübergreifend werden die Stimmen vor allem gegen die so genannte Whereabout-Regel täglich lauter. Seit dem 1. Januar 2009 müssen allein in Deutschland die 500 besten Athleten nicht nur ihre Aufenthaltsorte (engl. whereabout) ein Vierteljahr im Voraus online bei ihrer Nationalen Antidopingagentur (Nada) melden, sondern auch eine bestimmte Stunde angeben, in der sie für eine mögliche Dopingkontrolle greifbar sind. Vergisst ein Athlet die rechtzeitige An- oder Ummeldung und wird womöglich bei einer Kontrolle nicht angetroffen, erhält er eine Verwarnung. Bei drei Verwarnungen wird er monatelang gesperrt.

"Hausarrest" hat die Organisation EU-Athletes, ein Zusammenschluss von Sportler-Vereinigungen auf dem Kontinent, die Einstunden-Vorschrift genannt. Wegen mutmaßlicher Verstöße bei der Anwendung des Codes gegen geltendes europäisches Recht haben sich die Gegner der Regel an die EU-Kommission gewandt.

Noch ehe der neue Wada-Code in Kraft trat, richtete die von EU-Athletes um Unterstützung gebetene niederländische Europaparlamentsabgeordnete Emine Bozkurt eine Anfrage an die Kommission in Brüssel. Unter anderem wollte die sozialdemokratische Politikerin wissen, ob "die in den Code aufgenommenen Textteile betreffend Wahrung der Privatsphäre und Datenschutz im Einklang mit europäischem Recht" seien.

Zudem stellte Bozkurt die Frage: "Inwieweit stehen die Vorschriften, die Sportler verpflichten, während 365 Tagen des Jahres zu jeder Tages- und Nachtzeit für Kontrollen zur Verfügung zu stehen, nach Ansicht der Kommission in angemessenem Verhältnis zum Recht der einzelnen Sportler auf Privatsphäre? Inwiefern stehen sie im Widerspruch zu Gemeinschaftsrechtsvorschriften über Arbeitszeiten?"

Die Antwort von Justizkommissar Jacques Barrot vom 9. Februar hat es durchaus in sich. Zwar könne seine Behörde erst nach Abschluss der von der so genannten Arbeitsgruppe 29 vorzulegenden Ergebnisse ein Urteil darüber fällen, ob der Wada-Code mit EU-Recht konform sei. Bis dahin aber "würde es die Kommission bevorzugen, wenn das Datum, an dem der Datenschutzstandard und die Privatsphäre betroffen ist, aufgeschoben würde bis zum Abschluss der notwendigen Studien".

Dass Barrot und EU-Sportkommissar Jan Figel das umstrittene Regelwerk lieber noch nicht in Kraft sähen, lässt die in Montreal residierende Wada derweil kalt. Alle sensiblen Themen seien im Vorfeld geprüft und auch mit EU-Vertretern beraten worden, erklärte Sprecher Frédéric Donzé auf FR-Anfrage. Das sieht Emine Bozkurt anders, weshalb die für Bürgerrechtsfragen zuständige Politikerin gestern auch Michel Platini, den Präsidenten der Europäischen Fußball-Union (Uefa) bei dessen Besuch im EU-Parlament in Brüssel ermunterte, gegen Teile des Wada-Pflichtenhefts zu opponieren.

Platini stimmte denn auch der vom deutschen Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack bereits formulierten Kritik zu, wonach "massiv ins Privatleben eingegriffen" werde. "Fußballspieler sollten das Recht auf Urlaub und Privatsphäre haben und nicht 365 Tage im Jahr für Dopingtests zur Verfügung stehen müssen", sagte der Uefa-Boss. Tests könnten imTraining durchgeführt werden.

Eine Meinung, die auch die deutsche Basketball-Spielervereinigung Spin vertritt. Die Profi-Gewerkschaft, die auch den EU-Athletes angehört, hat dieser Tage beim Datenschutzbeauftragten in Bonn Beschwerde eingereicht. Spin bezweifelt, dass die Regularien der Wada beziehungsweise der deutschen Nada den Datenschutzbestimmungen gerecht werden. Eine Antwort steht noch aus.

Bei einer vergleichbaren Beschwerde der norwegischen Fußballspielervereinigung bei der dortigen nationalen Datenschutzberhörde sei der Standpunkt der Athleten bestätigt worden, erklärt Spin-Sprecher Walter Palmer. Zudem hatten Ende Januar 65 belgische Athleten gegen die Wada-Code Klage eingereicht.

Andere Sportler haben wegen der als Schikane empfundenen Meldepflicht schon resigniert. Nicht nur, aber auch wegen der Whereabout-Auflagen habe er seine Nationalmannschaftskarriere beendet, sagt Rugbyspieler Markus Walger aus Heusenstamm. Als Notstrommonteur werde er jeden Tag zu einem anderen Einsatzort in Deutschland gerufen, könne die Anwesenheitspflicht also praktisch nicht erfüllen. Kurzfristige Änderungen per SMS zu melden, sei auch nicht immer möglich.

Silke Kassner vom Beirat der Athleten im Deutschen Olympischen Sportbund berichtet von ganz praktischen Problemen einiger Sportler bei der Online-Registrierung. Als Wildwasserkanutin ist sie auch selbst der Meldepflicht unterworfen. "Ich weiß, dass Kontrollen nötig sind. Das System funktioniert aber nur, wenn ich als Athlet auf datenschutzrechtliche Aspekte verzichte", sagt die Referentin. Und fügt hinzu: "Da ist eine Diskrepanz, auch für mich als Politologin."

Auch Carsten Schlangen befindet sich im Zwiespalt der Gefühle. "Gesetzlich absolut grenzwertig", nennt er die Anforderungen. Viele Kollegen mokierten sich über die Vorschriften, würden sich aber aus Angst, dann womöglich als Befürworter für weniger Kontrollen verunglimpft zu werden, öffentlich nicht äußern. Der Weltklasseläufer, der sich wie Stabhochspringer Danny Ecker eine gemeinsame Aktion der Leichtathleten vorstellen kann, berichtet zudem von vielen technischen Schwierigkeiten beim elektronischen Meldeverfahren. So sei eine halbe Stunde Zeit aufzuwenden, um drei Änderungen im Dreimonatskalender durchzuführen, "was in zwei Minuten machbar sein müsste." Diverse Male habe er sich schon an die Wada gewandt, "aber ändern tut sich nichts".

Womöglich ändert sich ja etwas, wenn die EU-Kommission ihre Expertise abgegeben hat.

Zum Artikel auf FR-Online.de