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Olympic Architecture – Das Architekturbuch zur Olympiade

23 Oktober 2008

Olympic Architecture - Eine Illustration von Norman Palm zum Blog von Carsten SchlangenLange bevor ich darüber nachdachte, den Laufsport etwas ernsthafter zu betreiben und aus meinem Hobby etwas mehr zu machen, begann ich eher beiläufig, mich mit den Olympischen Spielen in Peking zu beschäftigen.

Es war im Dezember 2004. Die letzte Olympiade in Athen war gerade vorüber. Ich studierte zu dieser Zeit für ein Jahr in Helsinki. Aus dem Nichts tauchte plötzlich dieses unglaubliche Rendering auf (Ein Rendering ist eine 3D-Computer-Visualisierung) . Kaum ein Architekturstudent konnte sich seinem Bann entziehen. Es war ein Rendering des schweizer Architekturbüros Herzog&deMeuron, das ein großartiges Stadion zeigte.

Etwa drei Jahre später stand ich im August 2008 am Schalter der Lufthansa in Frankfurt und betrachtete dieses Rendering erneut. Es hatte sich in der Zwischenzeit viel verändert. Aus der Visualisierung war gebaute Realität geworden und aus dem Architekturstudenten vorübergehend ein Profisportler.

Ich war umringt von Deutschen Leichtathleten, die sich ebenfalls das Rendering in dem Buch Olympic Architecture Beijing 2008 ansahen. Mit jeder Seite, die ich umblätterte, wurden die Augen der Athleten größer. Die Vorfreude auf das Kommende stieg.

Im Laufe der Olympiade wurde das Buch immer wieder herumgereicht und die Seiten mit den Bildern des Nationalstadions aufgeschlagen. Ich möchte das Buch, das mir selbst sehr gut gefallen hat im Peking Spezial kurz vorstellen.

Rezension

Die englischsprachig gehaltene Dokumentation beschreibt sämtliche Wettkampfstätten der 29. Olympischen Spiele. Die Dokumentation unterteilt die Gebäude nach Neu-, Um- und Temporärbauten. Der Vorstellung voran geht eine Einführung zu den grundsätzlichen Entwurfsgedanken der Olympischen Spiele in Peking.

Dieser systematische Aufbau bringt mit sich, dass das Buch auf den ersten Seiten natürlich unglaublich spannend zu lesen ist, zum Ende dafür leider etwas an Kraft verliert. Die großen Entwürfe wie etwa das 'Nationalstadion' oder der 'Watercube' sind naturgemäß als Neubauten im vorderen Teil zu finden.

Das Buch wurde vom Birkhäuser Verlag in Kooperation mit dem Beijing Institute of Architectural Design erstellt und ist die einzige offizielle Dokumentation der Bauten der Olympischen Spiele.

Die Zusammenarbeit scheint gewisse Pflichten mit sich zu bringen. So werden einige negative Begleiterscheinungen der Planungen in Peking ausgeblendet. Zwangsumsiedlungen im Zuge der Spiele oder die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen der Wanderarbeiter werden nicht oder nur am Rande angesprochen.

Insgesamt sind die einzeln vorgestellten Bauprojekte umfangreich bebildert. Zu den Bildern gesellen sich auch immer wieder Originalrenderings der Architekturbüros aus der Wettbewerbsphase.

Die Renderings geben dem Betrachter die Möglichkeit, die Planungen mit der späteren Ausführung zu vergleichen und sich selbst ein Bild davon zu verschaffen, wo die Planungen mit dem später Gebauten übereinstimmen. Insgesamt ergibt sich so das überraschend erfreuliche Bild, dass die Architekturen der häufig nicht chinesischen Architekten in China sehr viel genauer umgesetzt wurden, als dies zum Teil in anderen Regionen der Welt üblich ist. China selbst ist in Architekturkreisen durchaus auch dafür bekannt, Entwürfe westlicher Architekten in Eigenregie fortzuführen und die Architekten dafür nicht einmal zu entlohnen. Der Rahmen der Olympischen Spiele scheint hier einen anderen Wind in die üblichen Vorgänge gebracht zu haben.

Aus Sicht der Architektur können die Spiele von Peking als Errungenschaft gefeiert werden. Kühne Architekturen wurden realisiert. Noch vor Jahren für unbaubar gehaltene Strukturen wurden mit Leichtigkeit umgesetzt. Ein Kostenlimit scheint für die prestigeprächtigen Bauten kaum existiert zu haben. Ich denke da in allererster Linie natürlich an das Vogelnest.

Insgesamt finden sich in der umfangreichen Dokumentation leider wenige Detailzeichnungen, die für Architekten oder allgemein Architektur-Interessierte eine schöne zusätzliche Information dargestellt hätten. Vermutlich sahen sich die Autoren in dem Konflikt eine umfassende Dokumentation nicht noch zusätzlich mit vielen Detailzeichnungen aufzublasen. Diese Auslassung ist daher insgesamt verständlich.

In anderen Zeichnungen wie etwa Grundrissen und Schnitten werden zum Teil Farbcodierungen verwendet, die in keiner erklärenden Legende auftauchen. Es drängt sich leider die Vermutung auf, dass die originalen Planzeichnungen reinkopiert wurden, ohne Anpassung an das Buch.

Die Einführung über die Grundsätze der Planungen, die dem Katalog der Bauten vorangestellt ist ist sehr gelungen. So war mir persönlich überhaupt nicht bewußt, wie grundlegend die Bauprojekte der Olympiade mit Konzepten der Nachnutzung geplant wurden. Oder wie tiefgreifend versucht wurde, die wild wuchernde Stadt Peking verkehrstechnisch funktionaler zu gestalten.

Vor den persönlichen Erlebnissen in Peking fand ich etwas schade, dass im Buch keine Vorstellung der Planung des Olympischen Dorfes vorkommt. Die Planungen schienen bis zur Olympiade geheim zu sein, zu geheim, um sie in einer offiziellen Dokumentation der Welt vorzustellen.

Nach der Heimkehr und den Erlebnissen in der Mini-Welt des Olympischen Dorfes denke ich etwas anders. Diese Auslassung ist für mich ein sehr positives Signal an die Sportwelt:

Hier im Olympischen Dorf seid ihr unter Euch und das gönnen wir Euch!

Carsten

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