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„Schauen, wie die Gegner drauf sind"

10 Oktober 2008

Wie unsere Olympioniken die Spiele in Peking erlebten

Olympische Spiele - 1500m - Männer - Carsten Schlangen - Foto: Iris Hensel

Als Olympiade bezeichneten die alten Griechen den vierjährigen Zeitraum zwischen den Olympischen Spielen. Noch heute richtet sich im Spitzensport alles an diesem Rhythmus aus: Jahrelange Vorbereitungen auf ein Ereignis – und im Extremfall ist erst zwei Wochen vorher klar, ob es für die Nominierung reicht!

Für die Glücklichen kommt dann alles darauf an, am entscheidenden Wettkampftag topfit zu sein. Manuel Brehmer kann ein Lied davon singen. Der Student der Energie- und Verfahrenstechnik nahm 2008 bereits zum zweiten Mal an den Spielen teil. 2004 lief es in Athen nicht so gut: „Ich hatte zwei Wochen vorher plötzlich Fieber bekommen und musste eine Woche im Bett bleiben." Immerhin wurde er in Athen noch Dreizehnter. 2008 wollte er unter den ersten zehn sein!

Carsten Schlangen ist der zweite TU-Student – und gleichzeitig der einzige deutsche "Mittelstreckenläufer -, der sich für Peking qualifizieren konnte. Noch vor vier Jahren tauchte Olympia nicht einmal in seinen Träumen auf. Jetzt sollte er hier vor über 90 000 Leuten in diesem fantastischen Stadion laufen – er, der angehende Architekt, der in seinem Weblog stets auch interessante Bauten in den jeweiligen Wettkampfstädten würdigt! Mit überzeugenden Leistungen auf der 1500-Meter-Distanz hatte er sich sein Olympiaticket bereits Ende Juni gesichert. Nun also Peking!

Zwei Tage nach der Eröffnungsfeier mussten Manuel und sein Partner Jonathan Koch in einer schweren Vorgruppe das erste Mal im Leichtgewichts-Doppelzweier antreten. Ihre Taktik: „Von Anfang an dabei sein; dann auf der Strecke angreifen und gucken, wie die Gegner drauf sind." Über den Hoffnungslauf zogen sie ins Halbfinale ein und erreichten im B-Finale insgesamt Platz neun – ihr Ziel war erreicht!

Carsten hatte seinen ersten Olympia-Auftritt am 15. August. Er erreichte das Halbfinale in 3:36,34 Minuten. Dort lief er taktisch geschickt und positionierte sich aussichtsreich: „Ich bin in das Halbfinale reingegangen, ohne dass ich den Stress des Vorlaufs hatte." Doch im Schlussspurt wurde er dann auf den letzten 100 Metern noch eingeholt; nur 17 Hundertstel fehlten zum Finaleinzug.  Einige Tage später landeten auch bei der TU Berlin teils besorgte Anfragen: Warum schreibt er auf seiner Webseite nichts Neues? Die Antwort lieferte Carsten in seinem Blog nach: „Es lag nicht, wie viele vermuten, an der lnternetzensur in China, sondern einfach an der großen Müdigkeit, die ich nach den Spielen spürte." Viele Mitglieder der TU Berlin hatten zu Hause die Daumen gedrückt. Im Namen der Universitätsleitung schickte TU-Kanzlerin Dr. Ulrike Gutheil Grüße und Glückwünsche nach Peking. Auf ihr besonderes Engagement geht die Kooperationsvereinbarung „Partnerhochschule des Spitzensports" zurück.

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An Tempo aufgeholt

5 Juli 2008

Carsten Schlangen gilt als bester deutscher Mittelstreckenläufer – und will andere mitziehen

Carsten Schlangen - Bild: DPAJedes Training eine Überraschung. Darauf hat sich Carsten Schlangen einstellen müssen. Welches Tempo und welche Strecke? Das wissen der Läufer und seine Vereinskollegen beim Berliner Klub LG Nord erst, wenn ihr Trainer Roland Wolff vor ihnen auf der Bahn steht. Und mit Vorhersagen liegen sie manchmal ziemlich daneben, wie erst in dieser Woche. „Wir haben gedacht, dass wir die 800 Meter laufen oder 600 oder 400", sagt Schlangen. Sie hatten auf ein moderates Programm spekuliert, weil an diesem Wochenende in Nürnberg die deutschen Meisterschaften der Leichtathleten stattfinden. Aber nein. „Es sind dann zweimal 1000 Meter geworden und das auch noch in einem ziemlich schnellen Tempo."

Vielleicht hat diese kleine kontinuierliche Ungewissheit Carsten Schlangen dabei geholfen, zum derzeit besten deutschen Mittelstreckenläufer zu werden. Er weiß schließlich auch nicht, welches Tempo ihm seine Konkurrenten am Sonnabend und Sonntag beim Rennen über 1500 Meter abverlangen. Wenn der 27-Jährige am Wochenende seinen deutschen Meistertitel verteidigt, hat er aber noch einen Vorteil: Er kann die Uhr in aller Ruhe laufen lassen. Schon zweimal hat er die vom Deutschen Leichtathletik-Verband geforderte Norm geschafft – die Qualifikationskriterien für Olympia in Peking sind also erfüllt. „Ich kann das Ding auf Sieg laufen", sagt Schlangen.

Beim ersten Mal in diesem Jahr hatte Schlangen gleich sich selbst und die Norm unterboten: 3:34:99 Minuten lief er beim Istaf im Olympiastadion Anfang Juni – eineinhalb Sekunden schneller als seine Bestzeit. Zum Istaf war Schlangen so gekommen wie viele andere Stadionbesucher auch: mit der U-Bahn. „Das war am einfachsten", sagt er. Ein Auto hat der Architekturstudent nicht. „Wir müssen uns sowieso fragen, wie wertvoll ein Auto in einer Stadt wie Berlin ist. Wir sind doch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut bedient." Mit dem Fahrrad und den öffentlichen Nahverkehr kann Schlangen seine persönliche Klimabilanz allerdings im Moment nur begrenzt korrigieren. Seit er so schnell läuft, sind einige Flüge dazugekommen -zum Beispiel ins Trainingslager nach Südafrika.

Sein Tempo hat vieles verändert, es hat zum Beispiel auch sein Studium langsamer gemacht. In diesem Jahr hat er ein Urlaubssemester genommen, um sich auf die Spiele in Peking vorzubereiten. Zum Abschluss fehlt ihm bis auf seine Examensarbeit zwar nicht mehr viel, aber er ist ein wenig aus dem Tritt gekommen. Denn als Architekt braucht er Arbeitserfahrung. „Wir erstellen Pläne, Modelle, Zeichnungen. Da muss man in der Übung sein, aber ich habe seit fast einem Jahr nichts mehr entworfen."

Dafür hat Carsten Schlangen sich Wett-kampfpraxis erarbeitet. Und das in einer für die deutsche Leichtathletik besonders traditionsreichen Disziplin. Seit den Erfolgen von Thomas Wessinghage, Dieter Baumann oder Nils Schumann laufen die Deutschen allerdings international hinterher. „Ich sehe es nicht als Belastung an, dass ich als deutsche Hoffnung auf der Mittelstrecke angesehen zu werden", sagt Carsten Schlangen. Er glaubt daran, dass die deutschen Läufer ihre schwächste Zeit hinter sich haben. „Früher ging es nur darum, den nationalen Konkurrenten wegzufegen, anstatt eine gute Zeit zu laufen. Aber das jahrelange Belauern geht zu Ende. Ich habe auf nationaler Ebene mehr Freunde als Feinde."

Zur Entwicklung der deutschen Läufer will Schlangen nicht nur mit schnellen Rennen beitragen. Er kümmert sich auch um die Internetseite Hauptstadtlaeufer.de, die das Gemeinsame über die Konkurrenz stellen soll. „Wir gratulieren auch anderen", sagt Schlangen. Die Berliner Läufer wollen sich gegenseitig schnell machen, und mit Hilfe ihres Trainers Roland Wolff, der als Professor die Sportmedizin an der Humboldt-Universität leitet. Eine flexible Trainingsgestaltung nach Form oder Wetter ist ihm wichtiger als ein Trainingsplan wie ein Gesetzestext. Im Training werden Schlangen und seine Laufkollegen so selbst überrascht, im Wettkampf sollen es dann die anderen sein.

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