Lehrgang im Schnee, mal etwas anderes

Nur langsam schälen sich die Konturen des beschaulichen Balderschwang aus der Winterlandschaft des Hochallgäu. Es ist Sonntagmorgen. Früh, für einige zu früh, und falls die Sonne pünktlich wach war, versteckt sie sich hinter einer dichten Wolkendecke. Durch das beschauliche Dörfchen und den dichten Schneefall stürmt eine farbenfroh gekleidete, bunt zusammen gewürfelte Gruppe.

Ihr Frühstück müssen sich die deutschen Läufer und Geher beim zentralen Lehrgang Mitte Dezember erst mit einem gut halbstündigen Warmlaufen verdienen.

Der Lehrgang ist vom Thüringer Leichtathletik-Verband initiiert, steht aber auch den Bundeskaderathleten aus dem Elite- und Nachwuchsbereich offen und wird geleitet vom Lehrertrainer Alex Fromm aus dem Sportgymnasium Erfurt und stand unter der Gesamtregie des Sportdirektors des Thüringer Leichtathletik-Verbandes Steffen Große.

Erfahrungen adaptiert

Letzterer hat seine Erfahrungen mit solchen Wintertrainingslagern aus dem Triathlonsport an den Laufsport adaptiert, um durch den gezielten Einsatz semispezifischer Trainingsmittel wie klassisches Skilanglaufen, Skating und Schneeschuhwandern zusätzliche Leistungsreserven zu erschließen.

Sein Argument klingt einleuchtend: „Sämtliche Sportarten übernehmen Trainingskonzepte aus der Leichtathletik, aber die Läufer trainieren meist nur konventionell ihr Laufen. Mit neuen Trainingsreizen können sich diese sowohl in der Spezifik, als auch in der Breite verbessern.“

Euphorischer Carsten Schlangen

Carsten Schlangen (LG Nord Berlin) muss vom Konzept nicht mehr überzeugt werden und äußert sich euphorisch: „Für mich gehört dieses Trainingslager zu den schönsten Erfahrungen, die ich bislang im Sport erleben durfte.“ Dick eingemummt ist der 30-Jährige im Schneetreiben kaum zu erkennen und trotzdem leicht zu finden: Wo er ist, ist vorne.

Die Gruppe zerfällt in Grüppchen, jeder nach seinem Tempo. Mit dem Vize-Europameister über 1.500 Meter messen sich immer wieder weitere Zugpferde der deutschen Leichtathletik wie die Erfurter Wolfram Müller, Sebastian Keiner, Rico Schwarz oder auch die Leverkusenerin Annett Horna und natürlich die hungrigen, aufstrebenden Nachwuchskräfte wie der Fünfte über die 3.000 Meter Hindernis bei der U-20 EM, der Berliner Tim Stegemann, und die Jüngste der 16 Athleten, Catherina Granz (LG Nord Berlin).

Abgesehen von den Profilen auf leichtathletik.de, kannte die Berlinerin nur zwei Athleten persönlich und hat sich dennoch schnell eingelebt: „Jeder hat sich mit jedem verstanden, es war total unwichtig, ob man sechs Jahre älter oder jünger ist. Gefühlt hatten wir zwar fast den ganzen Tag Training, ich habe entweder gegessen, geschlafen oder trainiert, aber man kam schnell in den Rhythmus und ich fühle mich komischerweise trotz der Belastung ziemlich gut.

Der kaputte Tag

Trotz Erfahrungsvorsprung vom Vorjahr litt Tim Stegemann wohl stärker, da er nach Achillessehnenproblemen erst vor drei Wochen ins Training einstieg und die intensive Gelegenheit für den Aufbau von Grundlagenausdauer mit hohem Kraftausdaueranteil ausgiebig nutzte: „Ich hatte meinen kaputten Tag. Im Sog der Trainingsgruppe gab ich öfter 110 Prozent und natürlich muss man das irgendwann bezahlen. Der Ehrgeiz in der Gruppe war sehr groß, da wir Sportler alle Ziele haben. Aber es war schön, sich gegenseitig anzuspornen, zu messen und sich an erfahrenen Athleten wie Carsten und Wolfram zu orientieren. Wer dann im Training mitzieht, wird auch problemlos akzeptiert. Dennoch war die Stimmung sehr locker.“

Um Anerkennung braucht der 24-jährige Rico Schwarz nicht mehr zu kämpfen und trotzdem schonte auch er sich nicht: „Mit oft vier Einheiten ist sowohl die Trainingshäufigkeit als auch der Zeit- und Kilometerumfang höher als bei normalen Trainingslagern. Durch die Abwechslung komme ich damit aber sehr gut klar und für den winterlichen Aufbau einer soliden Grundlage kommt mir der Ausbruch aus der üblichen Routine sehr gelegen. Es war eine große Gruppe mit großem Spaß und sogar eine Schneeschuhwanderung wird richtig anstrengend, wenn man mit ein bisschen Dampf durch den Tiefschnee den kompletten Berg hoch stürmt.“

Wiedersehen in der Sauna

Draußen ist es zwar schon längst dunkel, doch schneit es weiterhin, als sich die Athleten im kleinen Kraftraum und der Saunalandschaft wie jeden Abend wiedersehen. Die besonders von den Koppeltrainings aus der klassischen und freien Skilanglauftechnik und 1.000 Meter-Läufen gequälte Muskulatur verlangt nach Dehnen und Auflockerung.

Bei harter „Mucke“ kommt in diesen Tagen vor dem Fest trotz Winterlandschaft keine besinnliche Stimmung auf. Weihnachten ist schließlich noch eine Woche hin und die Athleten haben andere Sorgen als den üblichen Vorweihnachtsstress. Wann ist morgen noch mal Wecken?

Zum Artikel auf Leichtathletik.de


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