Von einem, der auszog, das Laufen zu lieben

Carsten Schlangen belohnt sich für viel Arbeit mit Silber

Berliner Morgenpost - Carsten Schlangen - Von einem der auszog, das Laufen zu lieben

Barcelona. Wenn Blicke töten könnten. Während Carsten Schlangen auf dem Podium in der Pressekonferenz etwas über den Lauf aus seiner Sicht erzählte, schaute ihn der drei Meter rechts neben ihm sitzende Spanier Manuel Olmedo grimmig von der Seite an. Dieser blöde Deutsche, hatte er ihm doch die Silbermedaille über 1500 Meter bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Barcelona weggeschnappt. Dass wenigstens sein Landsmann Arturo Casado gewonnen hatte, war für den Drittplatzierten auch kein Trost. Eigentlich hatten die Spanier ja einen historischen Dreifachsieg geplant, aber Reyes Esteves blieb nur Blech – Vierter. Schlangen hatte dazwischengefunkt, wurde zum bisher überraschendsten deutschen Medaillengewinner.

Was der deutschen Fußball-Nationalmannschaft schon eine Weile nicht mehr gelungen ist, nämlich die Spanier richtig zu ärgern, schaffte der Berliner von der LG Nord. Und zu Recht wusste der 29-Jährige gar nicht so richtig, wohin vor lauter Stolz. Er habe sich schon gedacht, dass er zu den sechs Läufern gehören würde, die Chancen auf eine Medaille hätten, erzahlte er. Und der Lauf war dann wie für ihn gemacht – nicht so schnell und mit der Entscheidung erst auf der Zielgeraden. „Ich wusste, dass ich im Sprint ein sehr gutes Stehvermögen habe.”

Taktisch clever hatte Schlangen sich verhalten, sich nicht einkeilen lassen, sodass er auf dem kürzesten Weg ins Ziel sprinten konnte. Da zeigte sich die Erfahrung, die der Architekturstudent inzwischen hat. Denn kaum zu glauben: Erst seit sechs Jahren betreibt er richtig Leistungssport. Schnell wurde aus dem Hobbyläufer einer, der an der EM in Göteborg vor vier Jahren teilnehmen durfte. Da konnte er zwar mit anschauen, wie sein Kumpel Jan Fitschen zwei Spanier auf der Zielgeraden abhängte und Europameister über 10 000 Meter wurde. Er selbst allerdings war vor allem taktisch noch ziemlich überfordert. „Da habe ich schön einen auf den Deckel bekommen” – Aus im Vorlauf.

Schlangens Credo lautet, dass man einfach etwas riskieren muss, „wenn du irgendwann mal einen solchen Erfolg haben willst wie ich jetzt”. Etwas zu riskieren, seinem Gefühl, ja seiner Liebe zum Laufen nachzugeben, das zieht sich durch die vergangenen Jahre im Leben des Meppeners, der 2001 zum Studium nach Berlin kam. „Man muss sich dafür entscheiden, ob man es will oder nicht.” Dabei war so vieles in der Schwebe gewesen Ende 2009. Schlangens Ausrüster hatte sich zurückgezogen. Nachdem einige aus seiner Trainingsgruppe unter Roland Wolff aufgehört hatten, schien er sein für ihn so motivierendes Umfeld zu verlieren. „Aber ich wollte unter keinen Umständen mit einem solchen Rennen wie bei der WM aufhören.” Im Berliner Olympiastadion war er 2009 trotz eines Ermüdungsbruches im Schienbein unter schlimmen Schmerzen gelaufen und natürlich chancenlos im Vorlauf ausgeschieden.

Es ging dann doch mit einer runderneuerten Gruppe bei Wolff weiter. Schlangen überwand seine Verletzung auch dank vieler Kilometer in der Langlaufloipe. Mit Läufen auf Rasen statt auf Asphalt entlastete er Knochen und Gelenke. Es blieb auch beim Spagat zwischen Studium und Sport, am 1. September muss Schlangen seine Diplomarbeit abgeben. Ein Ende seines Lauf-Abenteuers ist aber nicht abzusehen: „Jetzt hegt der Fokus auf 2012.” Dann finden in London die nächsten Olympischen Spiele statt.

Zum Artikel im Originalformat (PDF)


No Comments so far.

Leave a Reply