Wenn die Beine nicht mehr gehorchen – Bericht vom EC in München

Wenn die Beine nicht mehr wollen - Illustration von Norman PalmWie kam es dazu?

Ehrlich gesagt, treibt diese Frage zurecht nicht nur mich seit Sonntag um, sondern auch viele, die sich privat oder beruflich mit der Leichtathletik in Deutschland auseinandersetzen. Schließlich ist meine Einzelleistung auch Bestandteil einer Mannschaftsleistung.

Nach einem sehr anstrengenden "Tag nach der Katastrophe" mit vielen Anrufen, Emails und Diskussionen bin ich heute ein wenig zur Ruhe gekommen. Ich habe mir Zeit genommen und vor Allem mit denen gesprochen, die mich seit langer Zeit kennen und beobachten. Das sind mein Trainer Roland Wolff aus Berlin, Jonas Stifel und Franek Haschke aus der Trainingsgruppe, mein ehemaliger Trainer aus Meppen (Gerhard Janning) und sicher nicht zu vergessen mein Bruder, meine Mutter und mein Vater. 

Eigentlich wollte ich diese Gespräche zunächst sacken lassen – und mich zu all den im Leichtathletik.de-Forum gestellten Fragen erst in einigen Tagen äußern. Beim Versuch, gerade eben schlafen zu gehen, gingen mir die ganzen Diskussionen erneut durch den Kopf und ich kann nicht länger einfach nur liegen und hoffen, über die Gedanken einzuschlafen.

Die Antwort:

Ich möchte klar sagen, dass es nicht den Grund für mein desolates Abschneiden in München gibt. 

Vermutlich ist die Begründung eher in einer Kombination aus vielen Einzelfaktoren zu suchen. Ich habe am Montag und Heute recht starken Husten gehabt. Normalerweise habe ich einige Stunden nach harten Rennen diesen "Belastungshusten" – aber dieser war anders und wesentlich hartnäckiger. Ich fühle mich Heute leicht erkältet. Es ist allerdings nicht so, daß ich mich deshalb zu Hause verstecke und das Bett hüten muß. Bereits am Montagabend habe ich mich wieder mit meiner Trainingsgruppe in Berlin getroffen und konnte auch wieder mit Spaß laufen.

Ich denke, daß ich die ständig wechselnden Klimata des Wochenendes nicht so gut verkraftet habe. Draußen waren es zum Teil ca. 30°C, im Bus wiederum 15°C, im Hotel vielleicht 20°C. Über diese Bedingungen haben sich recht viele DLV-Athleten
zurecht beklagt.
     
Der Lauf am Sonntagnachmittag fand im brutal aufgeheizten Stadion statt und ich habe recht früh gemerkt, daß "etwas" mit mir nicht stimmte.

Normalerweise laufe ich pro Saison einige 3000m Läufe und kann recht gut abschätzen, wie sich ein schneller Lauf anfühlen muß. Ich konnte in meinen letzten Rennen eigentlich recht stabil Zeiten um die acht Minuten anbieten – die meisten sogar deutlich darunter.

Der Brite begann das Rennen offensiv mit einem recht hohen Tempo (2:38min nach 1000m und 5:18min nach 2000m). Auf diese Zeiten war ich vom Kopf her eingestellt. Meine persönliche Bestzeit liegt bei 7:51min (2006) und auch im Training sind wir vor einigen Wochen in Turnschuhen 2000m in 5:20min gelaufen. Am Mittwoch vergangener Woche bin ich sehr nah an meine eigene Bestleistung über 1500m herangekommen (3:38:90min). Von keinem anderen deutschen Athleten wurde die 3:39min Marke in den letzten drei Jahren unterboten.

Ich habe mir beim Rennen im Olympiastadion immer wieder gesagt, diese Pace kannst Du mitgehen. Das muß funktionieren. Häufig ist es eben so, daß gerade bei den 3000m Läufen der Konten erst bei 2000m so richtig platzt und die Beine einfach nur noch das machen, was der Kopf verlangt.

Leider war das am Sonntag nicht der Fall. Mir ging es nach 2000m extrem schlecht und meine Koordination ging mir komplett verloren. Ich denke, daß jeder, der am Sonntag zugeschaut hat, die letzten qualvollen Meter gesehen hat. Die Aufzeichnung en können leider nicht wiedergeben, wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe – es war 1000x schlimmer.

Ich war nach dem Lauf für ca. eine Stunde in ärztlicher Behandlung, die ich sonst in der Regel ablehne und versuche, mich gleich auszulaufen. Aber nicht einmal an aufrecht stehen war mehr zu denken.

Ich bin bis an meine Grenze gegangen und sicherlich, um der Mannschaft willen, auch deutlich darüber hinaus. Die Mannschaft hat mir zu keinem Zeitpunkt einen Vorwurf gemacht sondern die Leistung anerkannt, die ich mir selbst abverlangte.

Zu viele Rennen in zu kurzen Abständen?

Im letzten Jahr habe ich meine Bestzeit über 3000m beim Meeting in Leverkusen eingestellt. Das war genau eine Woche nach zwei harten Rennen über 1500m – dem Vor- und Endlauf bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm. Zwei Wochen vor Leverkusen bin ich meine heute noch gültige Bestzeit von 3:38:04min gelaufen. Ich denke daher, daß es nicht zu viele Läufe waren.

Erkenntnis

Ich hoffe, daß ich mit meiner Darlegung ein wenig mehr Klarheit schaffen konnte. Der DLV und die Disziplintrainer haben sich nach Lage der Dinge für den "derzeit stäksten" entschieden. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß meine Nominierung eine richtige Entscheidung war. Für mich bleibt die Erkenntnis, daß ich als Läufer nicht einfach so "funktioniere". Es bedarf bestimmter Rahmenbedingungen, die einfach passen müssen, um auf der Bahn optimale Leistung zu bringen.

Ich möchte auch noch einmal deutlich klarstellen, daß meine Leistung in Kassel nichts mit einer "allgemein schwankenden Leistung dieser Saison" zu tun hat. Wer meinen Lauf in Kassel gesehen hat (Video zum Download ), der weiß, daß ich dort einfach mal ausprobiert habe, extrem schnell anzugehen, um eine schnelle Zeit zu laufen. Wenn mir diese Versuche im Nachhinein anders dargelegt werden, oder man gar versucht, mir diese Freiheit zu nehmen, dann können wir die 1500m auch gleich kampflos als "tote Disziplin" den Kenianern überlassen. Die versuchen sich immer wieder an schnellen Zeiten, brechen äufig gnadenlos ein – und irgendwann laufen sie durch.

An dieser Stelle möchte ich mich bei all denen bedanken, die mir in den letzten Tagen geholfen haben, diesen Lauf so schnell es geht zu überwinden.

Danke, Carsten 

 


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