Der Läufer aus der Kälte

Das 3000-Meter-Rennen in Leipzig verspricht Spannung. 10.000-Meter-Europameister Jan Fitschen wird von zwei Läufern herausgefordert. Der eine ist Arne Gabius, der als einziger bereits die Norm für die Hallen-Europameisterschaften unterboten hat. Der andere ist Carsten Schlangen, der sich mit Skilanglauf auf die Hallen-Saison vorbereitet hat. 

„Mein sportlicher Lebenslauf ist schon etwas außergewöhnlich", sagt Carsten Schlangen, der erst im Alter von 24 Jahren mit dem Leistungssport begonnen hat. Beim SV Union Meppen wurde er behutsam aufgebaut. Großen Anteil daran hatte Trainer Gerhard Janning, der nicht nur Ratgeber im Sport war, sondern auch den Wert von Abitur und Studium hervorhob.

Carsten Schlangen begann 2001 ein Architektur-Studium an der Technischen Universität in Berlin und zog deshalb von Meppen in die Hauptstadt. Der Gegenstand seines Studiums fasziniert ihn: „Man kann total unterschiedliche Dinge tun, sich mit Städtebau beschäftigen oder kleinere Entwürfe anfertigen, etwa eine Sauna in Finnland planen."

Überhaupt hat es ihm Skandinavien angetan – zwei Semester hat er in Finnland studiert. Und weil er sich im Norden wohlfühlt, verbringt er oft seine Ferien dort. Bei einem gemeinsamen Urlaub mit seinen Eltern fiel die Entscheidung, es nochmals so richtig in der Leichtathletik zu versuchen: „Gebt mir noch ein Jahr Zeit, in dem ich weniger im Studium mache. Ich will sehen, was ich im Sport erreichen kann", bat er seine Eltern. Und die machten mit. Der Sohn nutzte die Chance, fand in Berlin eine starke Laufgruppe bei der LG Nord Berlin. 2005 war sein Probejahr: Er wurde Zweiter bei den Deutschen Meisterschaften über 1500 Meter.

Im vergangenen Jahr holte er den Titel, verpasste in 3:38,04 Minuten zwar die Norm für die Europameisterschaften (3:37,50), wurde aber dennoch für die Titelkämpfe in Göteborg nominiert. Dort wurde Carsten Schlangen erstmals via Fernsehen einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als er zwei Tage vor dem Finale über 10.000 Meter Jan Fitschen nach dessen Erwartungen fragte, und der im Brustton der Überzeugung meinte: „Ich werde Europameister."

Völlig spontan war diese Aussage und weit weg von jeder realistischen Prognose. Aber manchmal werden auch Träume wahr: Jan Fitschen wurde Europameister. Carsten Schlangen verpasste dagegen sein Ziel, in den Endlauf zu kommen. 2007 will er sich für die Weltmeisterschaften in Osaka qualifizieren. Die nötige Basis hat er sich in Skandinavien erarbeitet. Um die Jahreswende fuhr er nach Norwegen zum Skilanglauf. Allein. Zwei Wochen lang war er täglich 40 Kilometer unterwegs, jeweils viereinhalb Stunden im Skating- oder im klassischen Stil.

Drei Tage nach der Rückkehr lief er in der 3x1ooo-Meter-Staffel seines Vereins handgestoppte 2:26 Minuten, eine Woche später folgte der Titel über 1500 Meter bei den Landesmeisterschaften. Zuletzt lief er in 7:56,16 Minuten auf Rang drei der aktuelle deutschen Bestenliste über 3000 Meter – hinter Jan Fitschen und Arne Gabius.

Die Deutschen Meisterschaften in Leipzig sollen eigentlich sein letzter Hallen-Start sein. „Aber wenn ich mich noch für Birmingham qualifiziere, fahre ich natürlich hin."

Das Hauptziel bleibt die Freiluftsaison. Ende Februar reist er mit der Laufgruppe der LG Nord zum Training nach Lanzarote, dann folgen der Start bei der Cross-DM in Ohrdruf und ein 20-tägiges Trainingslager in Portugal. Dort sollen die Grundlagen gelegt werden, um sich für Osaka qualifizieren zu können. Erstmals bei einer Weltmeisterschaft laufen – diese Erfahrung möchte der blonde
Athlet gern machen.

Und vielleicht darf er dann schon von der nächsten Erfahrung träumen: einem Start in Peking bei den Olympischen Spielen 2008.

 

Zum Artikel im Originalformat (PDF) 


No Comments so far.

Leave a Reply