Geschrieben von: Meppener Tagespost - Ulrich Mentrup
6 November 2014 | Kommentare (0)
Carsten Schlangen nimmt Abschied vom Spitzensport – „Zehn Jahre konstant da“
„Das ist ein sehr emotionaler Moment für mich“, stellt Carsten Schlangen fest. Schließlich verabschiedet sich der aus Meppen stammende Leichtathlet nach zehn Jahren vom Leistungssport. In dieser Dekade hat der 33-Jährige weit mehr erreicht, als er selbst erwartet hatte.
Schlangen hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Er hat die wichtigsten Stationen seiner steilen Karriere Revue passieren lassen. „Es ist eine tolle Sache, als Teglinger zweimal bei Olympischen Spielen im Halbfinale gewesen zu sein“, erinnert er an die Spiele von Peking 2008 und London 2012. Diese Saison hat sich der 1500-m-Läufer trotz einiger Rückschläge „richtig reingehängt“. Jetzt steigt er voll in den Beruf als Architekt ein.
Am Beginn von Schlangens leichtathletischer Laufbahn stand der Meppener Citylauf: Als Zwölfjähriger wollte der Schüler des Marianums aber nicht über 1000, sondern über 10 000 m starten. Er bekam mit Unterstützung von Agnes Schlömer eine Ausnahmegenehmigung – und blieb unter 40 Minuten. Danach empfahl Schlömer den vereinslosen Läufer Trainer Gerd Janning von Union Meppen. „Carsten war ein Glücksgriff für mich“, weiß Janning, der den Sportler bis heute begleitet. Er bescheinigt dem Sportler, schon als Jugendlicher ehrgeizig trainiert zu haben.
„Es geht mehr“, war Janning sicher. 2005 fühlte er sich bestätigt. Da war Schlangen nach Berlin gezogen und trainierte unter Roland Wolff bei der LG Nord. Bei der DM in Wattenscheid wurde der Hochschulmeister deutscher Vizemeister über 1500 m. „Als ich 2004 angefangen bin, etwa professioneller zu arbeiten, habe ich gedacht, ich könnte vielleicht mal Fünfter werden in Deutschland“, erinnert sich der Läufer. Den ersten von sieben DM-Titeln über seine Spezialstrecke im Freien holte der Läufer 2006 in Ulm. Weitere im Cross und über 3x 1000 m mit der Mannschaft folgten.
In Göteborg startete Schlangen 2006 bei der ersten von drei Europameisterschaften. Es kamen drei Weltmeisterschaften und zwei Olympische Spiele hinzu, bei denen er jeweils das Halbfinale erreichte. „Es wird lange dauern, bis das wieder ein Emsländer schafft“, ahnt Schlangen, der der Region nicht nur als Sportbotschafter verbunden ist.
2009 hegte Schlangen erstmals Rücktrittsgedanken, als er sich ausgerechnet bei der WM im heimischen Berlin verletzte. Er machte weiter. Bei der EM 2010 in Barcelona gewann Schlangen die Silbermedaille. Ein Triumph. „Man setzt sich immer neue Ziele, will immer weiter“, sagt Schlangen, der gern an einem WM- oder Olympia-Finale teilgenommen hätte.
Kennzeichnend ist der ständige Kampf um Qualifikationsnormen für internationale Wettkämpfe. Oft musste der Sportler lange warten. „Aber er hat es immer geschafft. Er war immer voll da, wenn es nötig war“, beschreibt Janning die mentale Stärke seines Schützlings – „Typ Pacemaker. Er macht immer Druck.“
Lange warten musste der Emsländer auf die Erfüllung der Norm für Olympia 2012. Nach mehreren Fehlversuchen schaffte er sie auf den letzten Drücker in Bottrop mit seiner persönlichen Bestzeit (3:33,14 Min.). „Trotz einiger Rückschläge wollte ich die Norm immer knacken“, sagt der Läufer.
„Carsten hat zehn Jahre an der deutschen Spitze mitgemischt“, sah Janning in diesem Zeitraum etliche Konkurrenten kommen und gehen. „Carsten war konstant da.“ Jetzt endet die Spitzensportkarriere des 33-Jährigen nach einem Jahr, das sportlich nicht top gelaufen ist. Eigentlich wollte Schlangen seinen Abschied bei einem großen Rennen bekannt geben. Nämlich beim Istaf in Berlin. „Eigentlich mein Lieblingsmeeting“, betont er. Er hätte starten können, sagte aber nach einem Testwettkampf ab, weil er sich nicht topfit fühlte.
Jetzt verkündete der Emsländer seinen Abschied in kleiner Runde. Wehmütig natürlich. Aber auch zufrieden. „Ich habe meine Möglichkeiten genutzt“, sagt er. Aber Ziele hat er immer noch: zum Beispiel den Meppener Citylauf. Den hat er nämlich noch nicht gewonnen . . .
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Geschrieben von: Deutsches Architektenblatt - Roland Stimpel
1 Juni 2014 | Kommentare (0)
Der Leichtathlet Carsten Schlangen zeigt, wie Leistungssport und Architektur zusammengehen
Gelaufen war Carsten Schlangen schon als Schulkind im Emsland, aber nie mit ernsten Absichten. Stattdessen studierte er mit Leidenschaft Architektur – erst in Berlin, dann in Helsinki. Dort aber entdeckte er plötzlich sein großes Talent, schnell zu rennen, und dachte sich: „Ich kann meine Brötchen auch mal anders verdienen. „Mittelstrecke statt Planungswettbewerb, die Lauf-Legende Paavo Nurmi statt der Bau-Legende Alvar Aalto – vom Entwurfssaal ging Schlangen auf die Tartanbahn. Seitdem war er zehnmal deutscher Meister, einmal Vize-Europameister und zweimal im Olympia-Halbfinale. Derzeit bewältigt er Läufe und Bau-Abläufe parallel.
Wer vom Sport leben will, braucht oft mehrere Erwerbsquellen, sagt Schlangen: „Ausrüsterverträge, Werbesponsoring, bezahlte Event-Auftritte, Beiträge für Laufzeitschriften.“ Neben allem schaffte er sein Architekturdiplom und hatte danach seinen ersten Iob im Berliner Büro Granz+Zecher. Kein Zufall: Die Tochter des Inhabers Carsten W.Granz, Caterina, läuft wie er für den Verein LG Nord Berlin. „Da war zwischen Herrn Granz und mir eine Grundsympathie gegeben“, so Schlangen. Granz+Zecher hat einen Schwerpunkt in der Ausführungsplanung. „Da gab es ziemlich normale Bürozeiten; das habe ich präferiert.“ Nebenbei erlief er Meisterschaften; 2012 schaffte er die Qualifikation zu den Olympischen Spielen in London.
Schon vier Jahre zuvor war er Olympiateilnehmer in Peking gewesen – für ihn nicht nur ein sportliches, sondern auch ein architektonisches Großereignis: „Ich habe kein anderes Stadion mit einer so guten Funktionalität und Ästhetik erlebt“, sagt er über den Bau von Herzog & de Meuron und dem Künstler Ai Weiwei. „Die Stahlkonstruktion ist extrem aufwendig, aber von allen Plätzen in den beiden Zuschauerringen hat man eine grandiose Sicht auf die Wettbewerbe, selbst von den abgelegenen Plätzen. Und für uns Sportler war es funktional perfekt ich hatte noch nirgendwo einen so kurzen Weg vom Einlaufplatz zur Startlinie.“ Die Entwicklung in heimischen Stadien bekümmert ihn eher. Aus den Fußball-Arenen ist die Leichtathletik verdrängt; viele Städte haben keine größere Wettkampfstätte mehr. Leichtathleten müssen ebenso um die Aufmerksamkeit des breiten Publikums kämpfen wie Architekten. Momentan hat er einen Job bei der Ingenieur- und Anwaltsfirma Procon, die sich auf Vertrags-, Claim- und Risikomanagement am Bau spezialisiert hat (nicht zu verwechseln mit dem insolventen Windkraft-Investor Prokon). Hier kann Schlangen vom heimischen Computer aus in recht frei einteilbarer Arbeitszeit Bauprojekte beobachten und beurteilen, die sein Arbeitgeber begleitet. Auch in diesen Job half ihm der Sport: „Es ist natürlich ein gewisses Plus, dass ich glaubhaft vermitteln kann, dass ich mich anstrenge und meine Ziele erreiche.”
Weitere Parallelen zwischen Planern und Läufern? Carsten Schlangen nennt eine, die eher überrascht:
Laufen wirke individualistisch, sei aber ebenso Teamarbeit wie die schein-individuelle Architektur. „Wenn am Ende ein Einzelner vorn steht, verdankt er das immer anderen, die ihn unterstützt haben. Sei es der Trainer, sei es die Trainingsgruppe.“ Noch eine Ähnlichkeit: Wie Architekten sind auch Leichtathleten nicht ganz dem Kommerz anheimgefallen und müssen sich mit Werbung zurückhalten: „Es ist nur ein ganz kleines Logo neben der Startnummer erlaubt.“ Schlangen schätzt das: „Da ist eine gewisse Antiquiertheit, und die hat durchaus ihren Reiz. Weder in der Architektur noch in diesem Sport kann man das ganz große Geschäft machen.“ An vielen werdenden und gewordenen Architekten schätzt er die Offenheit im Leben. „Sie sind nicht so festgefahren. In diesem Milieu lässt man viel eher mal andere Lebensentwürfe zu, bei sich selbst und anderen. Und Leistungssport ist eine extreme Form dieses „Ich mach mal was anderes.“
Eine Sportkarriere sei keineswegs ein Garant für eine Berufskarriere. „Nicht alle haben dafür den nötigen langen Atem. Leistung auf der Bahn garantiert allein noch keine Leistung im Büro.“ Doch könnten Sportler Dinge üben, die überall verwendbar sind: „Auch hier besteht ein Großteil aus Kommunikation und Organisation. Wenn man das, wie ich, nicht einem Agenten überlassen
will, braucht es eine gehörige Portion Selbstmanagement.“ Obwohl er noch nicht Kammermitglied und Architekt ist, hat Schlangen jetzt die Chance auf einen eigenen Stadion-Entwurf: Sein eigener Verein will in Berlin-Tegel bauen. Ob er weiter in diese Richtung läuft, „als Architekt für Sportstätten? Muss nicht sein – kann aber passieren.“